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Bei Arch+ bekommt sozialer Wohnungsbau genauso viel Aufmerksamkeit wie die Architektur-Stars Herzog & de Meuron. Hier der Wohnturm der Schweizer in New York.

© picture alliance / dpa

50 Jahre „Arch+“: Bauen ist politisch

Seit 50 Jahren verbindet die Berliner Zeitschrift „Arch+“ Architekturgeschichte und tiefgehende Theorietexte mit politischen Bauten und Entwürfen.

Die „Wohnungsfrage“ steht mittlerweile wieder ganz oben auf der Agenda der Politik. Das müsste die Zeit sein für eine kritische Architekturzeitschrift. Es gibt sie – seit 50 Jahren. „Arch+“, gesprochen Archplus, entstand aus und mit der Studentenbewegung (im dafür eher peripheren Stuttgart) und war lange ein Forum linker Planungs- und bald Stadtteilpolitik. Wobei: eher Utopie als Politik. „Arch+“ musste sich jedenfalls die gebaute Architektur quasi erst aneignen. Eine herkömmliche Zeitschrift ist sie darum nie geworden. „Die Schwierigkeit, in der wir stecken, ist, dass wir uns nicht als Dienstleister der Architekturkommunikation begreifen, sondern uns aktiv am Architekturdiskurs beteiligen und ihn mitgestalten“, sagt Anh-Linh Ngo, Mitherausgeber und Mitglied der Redaktion. „Da fallen wir aus dem bekannten Raster.“

Ein Glück, möchte man sagen, denn so erhält der Leser zwischen drei- und fünfmal im Jahr ein mehr als 200 Seiten starkes Heft, das von Theorie, Architekturgeschichte, von Diskurs und Ideen nur so strotzt. Längst kommen konkrete Bauten und Entwürfe zu ihrem Recht; nur dass „Arch+“ sich nicht mit der Zurschaustellung von Trends und Namen abgibt. Im aktuellen Heft Nr. 229 wird ein Gebäude aus Stampflehm von Herzog & de Meuron nicht größer behandelt als der soziale Wohnungsbau, den der Amerikaner Michael Maltzahn in Los Angeles intelligent aufgestapelt hat.

Erstaunliche 10 000 beträgt die Druckauflage heute, ein Mehrfaches der Anfangsjahre. 7000 Exemplare sind abonniert und sichern die Existenz der anzeigenfreien, lediglich durch Projektkooperation unterstützten Zeitschrift. Ihren Sitz hat sie seit 1987 in Berlin, zunächst im (ererbten) Wohnhaus des seit 45 Jahren als Redakteur tätigen gelernten Architekten Nikolaus Kuhnert, seit einigen Jahren im Vorderhaus der Kunst-Werke in der Auguststraße in Mitte. Also dort, wo der „Resonanzraum“ für die im Blatt verhandelten politischen und ästhetischen Diskurse zu finden ist. Weil „Arch+“ regelmäßig Praktikanten beschäftigt, ist die Zeitschrift ganz nebenbei auch zu einer Ausbildungsstätte geworden.

Jedes Heft ist einem Thema gewidmet

Ihren Durchbruch hatte die Zeitschrift mit der Wiedergabe der Vorlesungen von Julius Posener ab 1980, der seit den 60er Jahren an der TU Berlin zum Doyen der deutschen Architekturgeschichte reifte und als Zeitzeuge der Zwischenkriegs-Moderne Kultstatus erlangte. Seither gehören tiefgehende Theorietexte zum Standardprogramm; im neuesten Heft etwa von Jean-Louis Cohen, Marco de Michelis oder Dietmar Steiner.

Jedes Heft ist einem Thema gewidmet und hat eher den Charakter eines Buches, „damit man nicht an uns vorbeikommt“, wie Anh-Linh Ngo formuliert. In den Innenseiten des aufklappbaren, silberglänzenden Umschlags der Jubiläumsausgabe sind die Heftumschläge abgedruckt, die die Entwicklung zum Themen-Schwergewicht spiegeln. Abgedruckt ist auch das Leitmotiv, in den Worten von Nikolaus Kuhnert: „Wir haben immer die These von der Architektur als politischem Medium vertreten.“

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