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Kultur: Bauhaus Dessau: Was die Welt zusammenhält

Ihn Architekt zu nennen, hieße, ein Werk von enzyklopädischer Breite auf das bloß Sichtbare zu reduzieren. Richard Buckminster Fuller, 1895 als Spross ehrwürdiger neuenglischer Siedler in Massachusetts geboren, war ein Mann vielfältiger Talente.

Ihn Architekt zu nennen, hieße, ein Werk von enzyklopädischer Breite auf das bloß Sichtbare zu reduzieren. Richard Buckminster Fuller, 1895 als Spross ehrwürdiger neuenglischer Siedler in Massachusetts geboren, war ein Mann vielfältiger Talente. Erfinder und Unternehmer, Physiker und Mathematiker, Philosoph und Ökologe, Marineoffizier und Sportflieger hätte er sein können - und war doch nichts ganz. Dem begnadeten Dilettanten - über einige Semester in Harvard kam er nie hinaus - ging es um nichts Geringeres als den Nachweis, "how to make the world work". Doch ist es der radikale Anspruch des Selbstexperiments, etwa in den lebenslangen Aufzeichnungen der "Chronofile" oder in der 42-stündigen Video-Performance "Everything I know" von 1973, mit dem er sich der künstlerischen Avantgarde verpflichtete.

Dieses überbordende Universum hat nun Quartier im Dessauer Bauhaus bezogen: Selten sah man die Ausstellungsebene im Werkstattflügel trotz riesiger Modelle so luftig. Dabei könnte der Gegensatz zwischen der ganz dem rechten Winkel vertrauenden Hülle und dem µuvre "Bucky" Fullers größer kaum sein. Joachim Krausse, neben Claude Lichtenstein Kurator der vom Zürcher Museum für Gestaltung eingerichteten Ausstellung, sieht ihn dennoch als konsequenten Erben des interdisziplinären Bauhauses.

Aber wo in Europa oft nur Manifeste in Grenzbereiche vorstießen, meinte es Fuller ernst. Der Entwurf des "abgehängten" Dymaxion House machte ihn 1929 schlagartig berühmt. Das bereits im Namen Dynamik und Effizienz verbindende Hexagon, in der Silhouette einem technoiden Pilz ähnlicher als einem Eigenheim, nahm den Begriff der Wohnmaschine wörtlich. Die Ausstellung stellt das mittels Luftschiff transportable Gebilde in Modellen und rührend naiven Skizzen vor.

Finanzieller Erfolg stellte sich erst mit den für die US-Marine entwickelten Geodesic Domes der fünfziger Jahre ein. Nicht traditionelle Würdeform, sondern das effiziente Verhältnis von Oberfläche und Volumen führte zu weiter Verbreitung dieser auch zivil erfolgreichen Leichtbaukuppeln. Später wuchs ihnen die Bedeutung "antiautoritärer" Architektur zu: Fullers Expo-Pavillon 1967 in Montreal polierte das durch Vietnam angekratzte Image Amerikas auf. Einfach und genial zugleich sind die zweischalig räumlichen Tragwerke: Ihre Wabenstruktur versprach kurze Bauzeit, hohe Stabilität und einfachen Transport der montierten Kuppeln.

Die Ausstellung erzählt mit hinreissenden Modellen, Plänen und Fotos eine Erfolgsgeschichte - die seit den fünfziger Jahren auch eine universitäre Seite hatte -, ohne doch auf ambivalente Aspekte hinreichend einzugehen. Das architektonische Werk Fullers besticht durch die höchst moderne Idee nomadenhaften Wohnens: Der ephemere Charakter transportabler Behausungen unterstreicht, dass wir die Erde nicht wirklich besitzen. Hierin liegt die Faszination, die der Meister auf Hippies und Naturschützer ausübte. Im Spätwerk kehrt sich diese Ehrfurcht vor der Schöpfung in pure Anmaßung um. Megalomane Projekte sehen die Überkuppelung ganzer Städte vor.

Doch der 1983 gestorbene Buckminster Fuller war ein zu originelles Phänomen, um ihm ernsthaft abschwören zu können. Dass Wissenschaft und Kunst an Bord des "Spaceship Earth" (Fuller 1951) ohne Experiment und Spiel nicht existieren können, macht seine erste Einzelausstellung überhaupt mehr als sinnfällig. Auf Mitmenschen muss Fuller elektrisierend gewirkt haben. John Cage, den Fuller Ende der vierziger Jahre am legendären Black Mountain College traf, sah es so: "The whole world has to be turned into music, or into a Fuller university." Dieser Zukunftsmusik kann in Dessau gelauscht werden.

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