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Erwartbar verwinkelt. Libeskinds Entwurf für das Innere der Ex-Blumenhalle.

© dpa

Beiderseits der Lindenstraße: Libeskind erweitert das Jüdische Museum Berlin

Als „disharmonisches Viertel“ beschreibt Cilly Kugelmann, Programmdirektorin des Jüdischen Museums, die Gegend rund ums Haus. Nun will das Jüdische Museum zur Verbesserung des Quartiers beitragen, angetrieben vom eigenen Erfolg.

Mehr als 750 000 Besucher im Jahr zwingen zur Auslagerung von immer stärker nachgefragten Aktivitäten, insbesondere der Museumspädagogik. Zuletzt wurden im Jahr 7500 Führungen für Schulklassen sowie 429 Bildungsveranstaltungen angeboten. Der Archivbestand hat sich seit der Eröffnung des Museums bereits verdoppelt, die Bibliothek umfasst mittlerweile 70 000 „Medieneinheiten“. Für alle diese Bereiche sowie für ein künftiges Fellowship-Programm wird nun die Blumengroßmarkthalle gegenüber dem Museum angekauft und von dessen Architekten Daniel Libeskind umgebaut.

Den Kaufpreis – „Stillschweigen ist vereinbart“ – bringt der deutsche Freundeskreis des Museums auf, die Kosten der Architekturplanung die amerikanischen „Friends of the Jewish Museum Berlin“. Bleiben sechs Millionen Euro reine Umbaukosten, die der Bund aus Steuermitteln beisteuert. Der Baubeginn ist für den Spätsommer avisiert, bereits im Herbst kommenden Jahres sollen Archiv, Bibliothek, Museumspädagogik sowie eine – noch etwas wolkig scheinende – Akademie für „Summer Fellows“ einziehen.

Ausgefüllt werden die 6500 Quadratmeter Grundfläche der 1962-65 von Bruno Grimmek erbauten Halle damit allerdings nur zur Hälfte. Über die zweite Hälfte wurden bei der gestrigen Vorstellung des Vorhabens nur vage Andeutungen gemacht. Man kann sich nach der Gesetzmäßigkeit von Organisationen jedoch leicht vorstellen, dass dem Jüdischen Museum im Laufe der Zeit weitere Nutzungen einfallen werden.

Libeskind sieht im wesentlichen den Einbau dreier Kuben vor: einer – in die Querfassade eingeschnitten – wird als Eingangsbereich dienen, je einer ist als Bibliothek respektive Vortragssaal vorgesehen. Die Kuben tragen geneigte, auf jeweils eine Spitze zulaufende Dächer. Damit soll in der Metaphorik Libeskinds die „Orientierungslosigkeit der Juden im Exil“ angedeutet werden. Die Kuben als solche gemahnen an Holzkisten wie diejenigen, in denen jetzt mehr und mehr Nachlässe ins Museum gelangen.

Die Halle selbst, eine nackte, klare Stahlbetonkonstruktion, bleibt unverändert und vor allem ungeheizt, weil ungedämmt und unbeheizbar; in ihr soll zwischen den beiden Bürotrakten noch ein „biblischer Garten“ Platz finden, dessen Realisierbarkeit angesichts der Klimaprobleme indessen in den Sternen oder besser: in den hiesigen Regenwolken steht.

Das Areal rings um die Halle – der Blumengroßmarkt als solcher zieht bekanntlich an die Beusselstraße – soll mit Wohnbauten gefüllt werden. Die entsprechende Vermarktung der Grundstücke besorgt der Liegenschaftsfonds. Der erforderliche Bebauungsplan ist in Arbeit, und zumindest im Gespräch ist eine Umgestaltung der Lindenstraße, mit Fahrbahnverengung und Fußgängerampel. Schließlich sind auch Sicherheitsanforderungen zu bedenken. Ein „Pollerschutz in Gestalt von Stadtmöbeln“ wird erwogen.

Wird die Gegend nun gentrifiziert? „Wir haben es nicht geschafft, die Bevölkerung der unmittelbaren Umgebung ins Museum zu bringen“, räumt Cilly Kugelmann ein. Sie erhofft sich vom Projekt Blumenhalle eine „integrative Wirkung“. Das Jüdische Museum will seinen Beitrag leisten für eine Gesellschaft im Wandel, „in der immer mehr Menschen unterschiedlicher Herkunft leben“ – einen Beitrag „zum Zusammenleben von Minderheiten“. Bernhard Schulz

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