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Freund der Künste. Der Atelierbeauftragte Florian Schmidt, hier bei einer Demonstration am Oranienplatz, unterstützt AbBA, die Allianz der bedrohten Atelierhäuser.

© DAVIDS/Boillot

Berliner Atelierhäuser: Damit die Stadt bunt bleibt

Künstlerateliers werden immer häufiger verdrängt. Dagegen regt sich Widerstand. Ein Masterplan soll helfen.

Schön war’s, wird man später einmal sagen. Berlins Subkultur war einzigartig, das aufregendste Gebrodel der Welt. Tausende von Künstlern lebten dort. Es gab Atelierhäuser mitten in der Stadt.

Was sich über die Jahre hinweg mit Verve entwickelt hat, ist im Moment in Gefahr. In diesem Jahr werden voraussichtlich wieder Hunderte von Berliner Künstlern ihre Ateliers verlieren. Etliche traditionsreiche Atelierhäuser in innerstädtischen Lagen wurden 2014 aufgelöst. Der Berufsverband Bildender Künstler Berlin (bbk) zählte einen Rekordverlust von 350 Ateliers im Jahr 2014. Drei von fünf bildenden Künstlern suchen derzeit ein Atelier. Arbeitsräume auf dem freien Markt sind für die meisten Künstler unbezahlbar. Berlin droht seinen Ruf als Kunststadt Nummer eins zu verlieren, wenn jetzt nichts geschieht. Kulturstaatssekretär Tim Renner hat das Thema zur Berliner Zukunftsfrage erklärt.

„Kunst zieht an und nicht aus“ lautete das Motto von Künstlerinnen und Künstlern, die am Mittwoch auf dem Oranienplatz gegen das Ateliersterben protestierten. Der Spruch war mit weißer Kreide auf schwarze Pappkartons geschrieben. Zappenduster wird es ohne Kunst in der Stadt, das wollte wohl unlängst auch der Street- Art-Künstler Blu ausdrücken, als er sein ikonisches Graffito auf der Brandmauer an der Cuvrystraße schwarz übermalte.

Kommt ein neuer Eigentümer, ist oft Schluss mit den Ateliers

Mindestens zehn Atelierhäuser gibt es momentan, deren Mietern bereits gekündigt wurde oder bei denen die Kündigung droht. Sie haben sich zur „AbBA“, zur Allianz bedrohter Berliner Atelierhäuser zusammengeschlossen. Das Ziel von AbBa ist es, Verbündete zu finden – in der Politik, in der Kunst, in der Nachbarschaft – , die dafür kämpfen, Immobilienspekulation und den Ausverkauf öffentlicher Flächen zu stoppen. Die Verdrängung trifft nicht nur Künstler, sondern auch Mieter mit kleinem Geldbeutel und Gewerbetreibende. Deshalb rufen die Künstler in Kreuzberg: „In Atelierhäusern sind alle willkommen, Kinder, Migranten, Touristen.“

„Wir haben noch Zeit bis Ende des Monats, dann müssen wir raus“, berichtet eine Künstlerin aus einem Atelierhaus am Erkelenzdamm. Der neue Eigentümer will das Gebäude räumen. Die Künstler fordern Mietpreisbremse und Bestandsschutz auch für Gewerbeimmobilien und von Bürgermeister Michael Müller eine neu gestaltete Liegenschaftspolitik. Das könnte bedeuten, dass landeseigene Immobilien nicht an den Meistbietenden verkauft werden, sondern an Interessenten mit guten, nachhaltigen Konzepten. Das könnten dann auch Künstler sein.

Das seit über 20 Jahren bestehende Atelierhaus Mengerzeile in Treptow mit 38 Ateliers wurde ebenfalls verkauft, nun ist die Frage, was der neue Eigentümer vorhat. „Die Lage ist unsicher, der Bezirk ist sehr daran interessiert, den Standort für die Künstler zu halten und unterstützt uns bei den Verhandlungen mit dem Eigentümer“, erzählt Karsten Krause, Künstler und AbBA-Sprecher der Mengerzeile. Die Künstler würden gerne selber kaufen. Entwicklungskonzepte zu finden, die alle zufriedenstellen, ist jedoch eine Herausforderung. Man braucht Profis – und Profis muss man bezahlen.

Neue Atelierhäuser bauen

Ideen, wie bestehende Ateliers zu erhalten oder neue zu schaffen sind, gibt es offensichtlich. Sprachrohr und Unterstützer der AbBA, der Allianz bedrohter Atelierhäuser, ist Florian Schmidt, der Atelierbeauftragte Berlins, angesiedelt beim Kulturwerk des bbk berlin. Schmidt hat den Posten seit gut einem Jahr inne und legt nun einen „Master Plan Art Studios 2020“ vor. Der Entwurf soll bis Juni mit dem Senat für Stadtentwicklung, der Kulturverwaltung und anderen Experten weiter ausgearbeitet werden. Der Kulturausschuss im Abgeordnetenhaus wird am Montag über das Thema beraten.

Der Masterplan sieht vor, binnen fünf Jahren 2000 neue Atelierplätze zu schaffen. Zusätzlich zu den rund 900 Ateliers, die derzeit vom Atelierbüro zu günstigen Konditionen zur Verfügung gestellt werden. Damit könnte man einem Drittel der Berliner Künstler einen Atelierplatz anbieten. Das Konzept besteht aus mehreren Säulen. Eine Idee ist, Bewerber für Bauvorhaben dazu zu verpflichten, fünf Prozent der Nutzfläche für Atelierraum zur Verfügung zu stellen. Unter anderem denkt Schmidt auch an den Neubau von Atelierhöfen – und das mit kostengünstiger modularer Fertigbauarchitektur zum Beispiel mit garagenartiger Bauweise. Auch dazu gibt es eine Studie, die Schmidt zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller angestoßen hat, als dieser noch Stadtentwicklungssenator war.

Kann das klappen - alles an einer Stelle?

Ist die Angst vor der Raumnot der Künstler in der Politik angekommen? Es gibt Anzeichen dafür. Der Senat vermeldete kürzlich, dass die Mittel für Räume der freien Szene im Kulturhaushalt 2016/17 aufgestockt werden sollen. Florian Schmidt hat allein für den Bereich der bildenden Kunst einen Mehrbedarf von drei bis vier Millionen Euro ausgerechnet. Doch auch die anderen Kunstsparten – Tanz, Theater, Musik – haben Probleme mit steigenden Mieten und melden Raumbedarf an. Man hört, Tim Renner liebäugle mit dem Gedanken, künftig eine zentrale Stelle für Raumfragen in allen Kunstsparten beim Senat einzurichten. Das bringt Synergieeffekte, aber vielleicht auch verschärfte Konkurrenz.

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