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Beteiligung an der Sklaverei: Britische Zeitung „Guardian“ arbeitet die eigene Geschichte auf

Das Flaggschiff der linksliberalen Presse in Großbritannien hat die Verbindungen der Gründerväter in Manchester zu Plantagen in Jamaika aufgearbeitet.

Von Tessa Szyszkowitz

Am Samstag erschien die britische Tageszeitung „Guardian“ mit einer 80 Seiten dicken Beilage: „Cotton Capital“ stand in dicken weißen Buchstaben darauf: „Baumwoll-Hauptstadt – wie Sklaverei den Guardian, Britannien und die Welt geprägt hat“. Als Hintergrund dient eine Montage des Titelblatts des „Manchester Guardian“ vom ersten Erscheinungstag, Samstag, dem 5. Mai 1821. Die Seite franst nach unten in Baumwollfäden aus.

Ein Großteil des Vermögens verdankte er der Manchester Baumwollindustrie

Nicht nur das Design dieser Sonderausgabe erregt Aufmerksamkeit, brisant ist vor allem das Thema. Schon vor vier Tagen hatte sich Chefredakteurin Katherine Viner mit einem Bekenntnis an ihre Leserschaft gewandt: „Es war immer schon ein sehr ungutes Gefühl, dass einer meiner Vorgänger, John Edward Taylor, einen großen Teil seines Vermögens der Baumwollindustrie von Manchester verdankte – die mit Baumwollplantagen in Amerika, die Millionen von Schwarzen Menschen gegen ihren Willen aus Afrika dorthin transportiert hatten, Handel trieb.“ Viner zitierte den amerikanischen Abolitionisten Frederick Douglass: „Der Preis des Menschenfleisches am Mississippi wurde durch den Preis der Baumwolle in Manchester reguliert.“

Die Gründerväter des „Guardian“ hatten Verbindungen zu Plantagen in Jamaika.

© Gestaltung: Tagesspiegel/Mauritius Images; Wikimedia Commons

Seit 2013 sieht sich auch die britische Gesellschaft durch eine wiedererstarkende Black-Lives-Matter-Bewegung gezwungen, andere Kapitel ihrer Geschichte in den Blick zu nehmen beziehungsweise auch andere Geschichtsnarrative zuzulassen. Auch der „Guardian“ wollte sich jetzt seiner eigenen Geschichte genauer ansehen. Der Scott Trust, der das Flaggschiff der progressiven Presse besitzt, hat die Geschichte der Zeitung und seiner Gründer auf Verbindungen zur Sklaverei untersucht. Und tatsächlich: Einer der zwölf Männer, die den „Guardian“ bei der Gründung mitfinanzierten, war sogar selbst Sklavenhalter. Er war Mitbesitzer einer Zuckerplantage in Jamaika.

Die Chefredaktion entschuldigte sich bei den Nachkommen der Sklaven

Die Chefredakteurin entschuldigt sich nun bei den Nachkommen der Sklaven, auf deren Leid sich die Tageszeitung gründete. Und sie kündigt Konsequenzen an: Der Scott Trust wird Gemeinschaftsprogramme in Jamaika und den Meeresinseln in den USA finanzieren. Der „Guardian“ selbst will noch diverser werden und mehr Schwarze Reporter und Reporterinnen anstellen. Nur 0,2 Prozent der Journalisten im Vereinigten Königreich sind Schwarz, dabei stellen sie drei Prozent der Bevölkerung. „Wir werden auch mehr Reporter aus der Karibik anstellen, wir wollen unsere Teams in Südamerika und Afrika verstärken“, schreibt Viner. Und in UK und USA soll mehr über die Lebensumstände der People of Colour berichtet werden.

In der Sonderausgabe „Cotton Capital“ kommen jene Historiker zu Wort, die mit ihrer Arbeit in den vergangenen Jahren bereits den bis dato unterbelichteten Anteil des Britischen Empires an der rassistischen Geschichte der Sklaverei beleuchtet haben. David Olusoga beschreibt, wie er selbst lange glaubte, die Briten hätten sich vor allem um die Abschaffung der Sklaverei, die in der Karibik betrieben wurde, verdient gemacht.

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