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Werkstattgalerie Noack: Bildhauerei von Ernst Barlach

Die Werkstattgalerie der Gießerei Hermann Noack zeigt ikonische Figuren von Ernst Barlach.

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Tonnenschwer wirkt der massige Engel, wie er da reglos ausgestreckt mitten im Ausstellungsraum schwebt – nur knapp über den Köpfen derer, die ihn betrachten. Für den Güstrower Dom schuf Ernst Barlach 1927 sein ikonische Werk mit den idealisierten Gesichtszügen von Käthe Kollwitz. Das ausgestellte Exemplar allerdings entstand als Kunststoffguss für Dreharbeiten in den 1960er Jahren, erzählt Hermann Noack. Barlachs geniale Formgebung, nicht das Material selbst gibt dem Werk diese Empfindung von Schwere, die so unnachahmlich aufgehoben ist in der Anmutung des Schwebens.

Barlachs Bronzegüsse kommen alle von Noack

Früher hing der Pseudobronze-Engel im Keller der Bronzegießerei Noack, seinerzeit noch am Stammsitz in Friedenau, erinnert sich der Chef in vierter Generation. Längst hat das 1897 gegründete Familienunternehmen am Spreeufer in Charlottenburg ein neues Areal bezogen. Im modernen Showroom kommt Barlach nun, pandemiebedingt mit zweijähriger Verspätung, zum 150. Geburtstag zu Ehren. Sonst wird hier meist Gegenwartskunst gezeigt.

Alles, was es von Barlach in Bronze gibt, trägt den Stempel der Gießerei Noack. In der Berliner Werkstatt wurde sein Gesamtwerk gegossen, vielfach erst posthum. Mittlerweile, so Noack, gibt es das aber nur noch in musealen Ausnahmefällen. Auf die raren Güsse zu Lebzeiten kann auch seine kleine Retrospektive nicht zurückgreifen. Die Leihgaben kommen aus der Nachlassverwaltung, ergänzt durch knapp ein Dutzend Lithographien der Galerie Nierendorf.

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Im hohen Ausstellungsraum aus Beton und Glas haben die 17 klein- und mittelformatigen Bronzegestalten viel Luft sich zu entfalten. Noack findet, Barlachs Werk werde vielfach zu verkramt, eingeengt und verkrustet gezeigt. Hier gibt es keine Objektschildchen, erst recht keine Erklärtexte. Barlach soll für sich wirken. Die Ausleuchtung ist perfekt, sensibel streicht das Licht über die bronzenen Oberflächen.

Barlach schnitzte seine Arbeiten aus Holz

Der „Singende Mann“ ist ein Lieblingsstück Hermann Noacks. Entspannt auf dem Boden sitzend lehnt die Figur sich zurück, öffnet den Mund – und wird Klangkörper. Der Bronzegießer weist auf die hauchfeine Hammerschlagpunzierung; erst nach dem Guss wurde diese lebendige Oberflächenstruktur eingearbeitet.

Barlach selbst hatte damit nichts zu tun. Er schnitzte seine Arbeiten in Güstrow aus Holz und schickte sie nach Berlin, wo ein Gipsmodell und schließlich die nur ein einziges Mal verwendbare Sandform für den Guss gefertigt wurde. Mit solchen diffizilen Verfahren kennt man sich hier bis heute aus, im Entree glänzen kapitale Schaustücke internationaler Künstler von Tony Cragg bis Heinz Mack.

[Werkstattgalerie Hermann Noack, Am Spreebord 9, bis 3. 7.; Mo bis Fr 10 - 17 Uhr, Sa 12 - 18 Uhr, So geschlossen]

Einen etwas bemühten Aktualitätsbezug Barlachs stellt der einleitende Wandtext her, ohne dass die Ausstellung diesen Aspekt weiter verfolgt: Im Sommer 1906 reiste der 36-jährige Künstler nach Kiew, Charkiw und ins Donezgebiet. Er sah Bettler und Bauern, sah weite Landschaften und empfand das als wichtigen Impuls für seine Suche nach klarer, wahrhaftiger Gestaltung.

Alles Unnötige lässt Barlach weg

Der im Jahr darauf entstandene „Melonenschneider“ ist ausgestellt. Er sitzt breitbeinig da, handhabt mit vollem Körpereinsatz sein Messer. Alle unnötigen Einzelheiten sind weggelassen, auch das Gesicht wirkt vereinfacht, alle Form gestrafft.

Das wurde Barlachs Strategie. Seine Figuren tun einfach das, was sie tun, und gewinnen so zeitlose Gültigkeit. Die klassischen Posen der Bildhauerei lässt der Künstler beiseite, vertraut dem erlebten Moment.

So stemmt sich der korpulente „Spaziergänger“, nur 50 Zentimeter hoch, gegen den offenbar kräftigen Gegenwind. Der „Flötenbläser“ verschmilzt mit seinem Instrument, straff eingehüllt in Mantel und helmartigen Hut. Den „Buchleser“ möchte man gar nicht stören, so versunken kauert er in seiner Lektüre.

Und die „Schwangere“ steht einfach da, wie eine Frucht, ein keimendes Korn. Man kennt sie, diese Barlachschen Figuren. Sie haben Bestand. Die Ausstellung gewinnt Barlachs Werk nichts Neues ab, was schade ist. Aber immerhin rückt sie die Arbeiten ins rechte Licht.

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