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Kultur: Bücher bis zur Saunatür

Neues Bauen in Kladow: Traumhaus für Leser

Für Freunde soll man kein Haus bauen, lautet eine ungeschriebene Architektenregel. Die Architektin Ingeborg Kuhler hat dagegen verstoßen, doch sie ist noch immer gern gesehener Gast im Haus in Kladow, das sie für einen Dramaturgen und eine Bauhistorikerin entworfen hat. Ingeborg Kuhler ließ aufhorchen, als sie 1982 bis 1990 das Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim baute. Mit diesem Aufwand und diesem bis zur Selbstausbeutung gehenden persönlichen Engagement, so die Beobachter damals, könne man eigentlich nicht lange arbeiten. (Sie hat sich in der Folge denn auch auf die Lehre verlegt und ihre Professur an der HdK ausgefüllt). Denn Ingeborg Kuhler lebt und fühlt Architektur, geht ganz in ihr auf und schöpft Raumkunst aus ihrem Innersten. Vielleich ist sie deshalb prädestiniert für den Bau individueller Wohnhäuser, da sie die Sensibilität sowohl für den Ort als auch für die künftigen Bewohner, deren Wünsche und Bedürfnisse aufzubringen bereit ist.

In Kladow galt es, auf einem etwas ungewöhnlich geschnittenen, leicht abschüssigen Grundstück neben einem vorhandenen älteren Wohnhaus ein Refugium zu errichten, das den Hausherren Wohn- und Arbeitswelt sein sollte. Wo das Haus zu positionieren sei, wie hoch es werden und wie es ausgerichtet sein sollte, bestimmte die Architektin nicht im Büro am Monitor, sondern „erlebte" es vor Ort. Stimmungen, Licht und Ausblick hielt sie in Aquarellen fest, bevor sie den ersten Vorentwurf skizzierte.

Sie entschied sich für einen L-förmigen Baukörper, gleich oben an der Straße, mit geschlossener Straßenfront und holzverschalten Außenwänden. Und dieses Haus scheint die Aus- und Einblicke in sich zu fokussieren. Weite und Helligkeit, Durchblicke und Schatten, die totale Öffnung wie der verborgene Blick, alle Möglichkeiten werden durchgespielt und in Szene gesetzt. Dabei wird der Garten nicht wie bei Frank Lloyd Wright ins Haus geholt, spielt der Innenraum nicht durch offene Grenzen, über Terrassen und Treppenanlagen ins Freie hinaus, sondern die Grenze zwischen innen und außen, geschützt und weit geöffnet, bleibt deutlich. Das Haus strahlt jenes Maß an Geborgenheit aus, das moderne Architekten ihren Klienten selten zugestehen.

Das hat viel mit der Form und Größe der Fenster zu tun, doch auch mit Farbe und Material. Böden aus Holz, Treppenstufen aus Holz, Fenster aus Holz vermitteln natürlich intensive Stimmungswerte, da kann nicht viel schief gehen, auch wenn die Architektin hier und da als Kontrast Sichtbeton dagegen setzt, weichen, samtigen Sichtbeton (von selten anzutreffender Güte). Eine kaum merkliche Farbtönung der weißen Decken verrät, dass auch hier die Lichtwirkung nicht kurzerhand dem Dogma der weißen Moderne überantwortet, sondern sehr sorgfältig erfühlt, kalkuliert und abgestimmt wurde.

Schlafen, Studieren

Es gibt Leute, die halten Bücher für den attraktivsten Wandschmuck. Recht haben sie, und gemütlich sind Bücherwände ohnehin – und garantiert kitschunverdächtig. Die Bauherren haben genug davon. 240 laufende Meter Buchregal, durchziehen das Haus bis in die beiden gartenseitigen Arbeitszimmer, sind Möblierung und Wandschmuck, Raumteiler und Brüstungsersatz. Noch den Kellergang begleiten sie und machen erst an der Saunatür Halt. Die komplette Nordwand der zweigeschossigen Wohnhalle ist eine einzige Bücherwand, von der Rückseite belichtet durch unregelmäßig verteilte Fensteröffnungen im Regalfachformat. Ein ganz individuelles Haus also, ein Bücherschrein mit zwei Schlaf- und zwei Studierstuben in einem von Karl Thomanek und Hiltrud Duquesnoy kongenial gestalteten Garten. Spätere Bewohner werden vielleicht das nicht unbedingt zukunftsträchtige Energiemanagement des Gebäudes bedauern. Und wenn sie weniger ihr Eigen nennen, werden sie manches ändern wollen. Doch was bleiben wird, ist das Geborgenheit vermittelnde Wohnerlebnis, die gelassene Einbettung des Wohnens in den Lebens- und Naturraum in den Hügeln über der Havel.

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