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Volksbühne: Brechts "Cäsar" als Theaterstück

Mit seinen drei Zeitebenen und vielfachen Verschlüsselungen ist Brechts fast unbekannter Roman "Die Geschäfte des Herrn Julius Cäsar" nicht nur eine intellektuelle Herausforderung. Lothar Trolle hat sich der Aufgabe unterzogen, den Text für das Theater spielbar zu machen.

Ohne Anstrengung geht es nicht. Brechts fast unbekannter Roman „Die Geschäfte des Herrn Julius Cäsar“ gründet sich auf ein weitgreifendes Studium der Geschichte Roms im 1. Jahrhundert n. Chr. Mit einem Bibliotheken verschlingenden Fleiß stürzte sich Brecht in die Aufhellung historischer Hintergründe, arbeitete mit Quellen mannigfaltigster Art und stellte zudem noch verfremdete und doch offensichtliche Bezüge zur Weimarer Republik und zum Aufstieg Hitlers her. Der Roman entstand zwischen 1938 und 1940, er blieb, auf sechs Bücher angelegt, Fragment.

Mit seinen drei Zeitebenen und vielfachen Verschlüsselungen ist der epische Brocken nicht nur eine intellektuelle Herausforderung. Ein klügeres Buch über die Beziehung von Geschäft und Politik, eine gnadenlosere Durchleuchtung bis heute gültiger ökonomischer Vorgänge ist schwer zu finden. Brecht analysiert Geschäfte nicht als Ausdruck der Politik, sondern definiert Politik als notwendige Reaktion auf geschäftliche Interessen. Elegant führt er den Nachweis, dass Ideale, welcher Art auch immer, in der Folge von Eroberungen und Bürgerkriegen untergehen. Auch der Historiker, den Brecht als Ich-Erzähler seines Romans in den Zeitenstrom schickt, scheitert bei seinem Versuch, eine bewundernde Cäsar-Biografie, Jahrzehnte nach dessen Tod, zu schreiben. Cäsar taugt nicht zum Helden. Das Urteil: „Mit anständigen Leuten hätte er“, Cäsar, „gar nichts anstellen können. Er verwickelte sie alle in Verbrechen.“

Lothar Trolle hat sich der Aufgabe unterzogen, den Text für das Theater spielbar zu machen – das konnte nicht gelingen. Die Komplexität des mit geschichtlichen Vorgängen virtuos und trickreich spielenden Fragments wird durch lyrische Übermalungen noch gesteigert. Aus der epischen Fülle schält Trolle Monologe heraus, die Figuren nicht zugeordnet sind. Der Text ist Hör-Spiel, assoziativ verkettet sind Bericht, Kommentar, Befragung und Klage. Immerhin unternahm Silvia Rieger in der Doppelfunktion als Schauspielerin und Regisseurin den Versuch, das Inkommensurable in sinnliche Anschauung einzubinden.

Da muss ein Einschub erlaubt sein. Bert Neumanns halbrunder, hochragender Versammlungsplatz unter freiem Himmel kann griechisches Wetter nicht nach Berlin holen. Die der Volksbühne vorgebaute Agora ist Wind und Regen ausgeliefert, braucht wetterfeste Zuschauer. So auch bei der „Cäsar“-Premiere. Schauer auf Schauer zog über das in grüngraue Planen gehüllte, mit Decken gerüstete Publikum hinweg. Unten, im aufgeschütteten Sand, mühten sich Silvia Rieger und ihre kleine Schar wenigstens um eine Spur Anschaulichkeit. Mit stampfenden Schritten durchmaß Rieger den Sand, sich trotzig in Positur werfend, eine Tragödin, die Welt- und Menschenschicksale beschwört. Abgemessene Bewegungen sowie architektonisch herausgearbeitete Gruppierungen der Darsteller können die Rätsel ihrer Identität nicht lösen. Es bleibt bei Anrufungen, die der noch nicht vom Regen in die Flucht geschlagene Zuschauer selbst deuten muss.

Wieder am 11. und 20. Juni

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