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© ddp

Schlossparktheater: Jedem Anfang wohnt ein Zaudern inne

Dieter Hallervorden hatte schon im Vorfeld der Wiedereröffnung des Schlossparktheaters angekündigt, im Südwesten Theatertraditionen hochhalten zu wollen und das moderne Regietheater den Häusern in der Stadtmitte zu überlassen. Die erste Premiere gerät so auch recht herkömmlich - trotz Illja Richter.

Dieter Hallervorden ist kein Mann, der sich zurückhält. Schon Wochen vor der Wiedereröffnung des Steglitzer Schlossparktheaters hat er sein künstlerisches Credo kundgetan: Eine „Verfälschung“ der Stücke sei mit ihm nicht zu machen, Hamlet werde seine Ophelia nicht in der Sauna treffen. Bei der Rede auf der Eröffnungsgala am Dienstagabend ist aus der Sauna zwar ein Bordell geworden, aber die Aussage bleibt die gleiche: Modernes Regietheater sollen die schlimmen Häuser in der Stadtmitte machen. Hier im Südwesten wird die Tradition gewahrt.

Absage an das Regietheater

Und auf die beruft man sich dann auch einen ganzen Abend lang. Gudrun Genest, Regina Lemnitz, Brigitte Grothum oder Rainer Pigulla erzählen aus persönlicher Anschauung und äußerst lebendig von der großen Zeit des kleinen Theaters, vor allem unter Boleslaw Barlog. Hallervorden, der neue Direktor, wird allerdings an diesem Abend so oft für seinen Mut und sein Engagement gepriesen, dass es bald formelhaft wirkt. Gilla Cremer bricht das noch einmal kurz auf mit einer sympathisch-rauchigen Liederhommage an Hildegard Knef. Aber auch dies ist ein Rückblick.

Wirklich nach vorne geht der Blick auch am Mittwoch bei der ersten Premiere in Anwesenheit des Bundespräsidenten nicht. Hallervorden hat dafür „Die Socken Opus 124“ des französischen Autors Daniel Colas ausgesucht, das 2007 an dessen eigenem Théâtre des Mathurins in Paris uraufgeführt wurde. Der Erfolg in Frankreich spricht aber eher gegen Paris als für das Stück. Schon der Ort ist ein einziges Klischee: Staubige, kalte Dachkammer, Winter, es schneit – ein Bild, das seit „La Bohème“ herhalten muss, verarmter Künstler zu illustrieren. Und noch ein anderes großes Werk hat Colas geplündert: „Warten auf Godot“, dessen deutschsprachige Erstaufführung Beckett selbst am Schlossparktheater 1953 inszeniert hat. Wladimir und Estragon heißen hier Brémont und Verdier, zwei alt gewordenen Darsteller, die sich zu Proben treffen. Der eine hält das Programm für Unsinn, macht aber trotzdem mit, der andere versucht, seine Vorstellungen durchzudrücken. Wie bei Beckett streiten und kabbeln sie sich und kommen doch nicht voneinander los.

Vorhersehbare Nummernrevue

Das klingt nach einer Menge Stoff, aus der sich Allgemeines übers Theater, das Leben, das Älterwerden gewinnen ließe. Allein, Colas macht nichts daraus. Das Stück tritt auf der Stelle, wird zur vorhersehbaren Nummernrevue, die keinen Lacher auslässt. Wenn Brémont darauf besteht, dass man entgegen der landläufigen Meinung Geschirr mit heißem, nicht mit kaltem Wasser nachspülen muss, dann ist das nur besserwisserisch. Wer sich bei Beckett bedient, muss sich die Frage stellen lassen: Wozu? Was ist der künstlerische Mehrwert? Die Situation des Originals, die so viel grundsätzliches über die Situation des Menschen erzählt, wird in der Konkretion banal.

Richter als glaubhafter Verdier

Ilja Richter holt trotzdem viel aus seiner Figur heraus. Sein Verdier kann viele Sekunden schweigen, bevor der Zorn um so plötzlicher – und glaubhafter – aus ihm herausbricht. Doch er ist nicht nur Diktator, sondern auch Menschenfreund. Anrührend, wie er es schafft, sich zu seiner Glatze zu bekennen. Hallervordens Brémont ist eigentlich ein herrlich zynischer Kotzbrocken. Er kann die Löcher in Verdiers Socken nicht leiden, obwohl sie in Schuhen nicht zu sehen sind – weil er es nicht mag, wenn Menschen etwas verbergen. Aber wer im Westdeutschland der 80er Jahre aufgewachsen ist, dem gelingt es kaum, hier nicht immer wieder jenen „Didi“ zu erkennen, von dem er sich unbedingt distanzieren möchte. Zwar gibt es immer wieder auch einen anderen Hallervorden zu sehen, einen traurigen, reuemütigen. Aber insgesamt hätte man doch mehr erwartet. Regisseurin Katharina Thalbach stellt einen riesigen Fuß auf die Bühne, wohl um die relativ kleine Rolle der titelgebenden Socken in dem Stück stärker zu betonen. Im übrigen lässt sie ihren beiden Darstellern alle Freiheiten.

Die nutzen sie auch. Aber trotz oder gerade wegen aller Lacher: Unabsichtlich zeigt die erste Premiere des Schlossparktheaters gerade die Art von Schauspiel, gegen die das Regietheater einst zu Felde gezogen ist. Und plötzlich fragt man sich, was eigentlich so schlimm wäre an einer Sauna.

Wieder am 4. sowie vom 7. - 13. September. Infos: www.schlossparktheater.de

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