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Kultur: Castros Trainingsdress

Eine Ausstellung zeigt, wie Olympia benutzt wird.

Auf dem Bildschirm mühen sich zwei Ringer ab, die Körper ineinander verkeilt, die engen Leibchen spannen über ihre Körper. Der Ältere der beiden ist zunächst im Vorteil, lässt ihn sich jedoch bewusst nehmen. Dazu erklärt eine Sprecherstimme auf Englisch, dass es normal sei, dass ältere, stärkere Tiere die jüngeren übervorteilen. Warum sollte jemand ein Mahl teilen, das er auch alleine haben kann? Die Inkompatibilität des DDR-Sportlehrfilms mit der Tonspur einer US-Tierdokumentation und deren gleichzeitiges Ineinandergreifen sind ein Sinnbild: Die medial durchdrungene Gesellschaft und der durchmedialisierte Sport beeinflussen sich wechselseitig.

Was Sport im Jahr 2012 ist, können gerade alle bei den Olympischen Spielen in London sehen. Was er sein kann, in welche gesellschaftliche Nischen, medialen Zusammenhänge und ästhetische Vorstellungen er sich eingeschlichen hat, zeigt die Ausstellung „Gentle War. Intermediale Olympische Spiele im Collegium Hungaricum“. Nichts weniger als „die Instrumentalisierung der Olympischen Spiele auf intermediale Art und Weise“ haben sich die Macher vorgenommen. Ein Konzept, das aufgeht – auch wenn die Instrumentalisierung der Sommerspiele mehr durch deren Nennung im Untertitel erfolgt, denn durch direkten Olympia-Bezug. Die Schau ist vielfältig – und nicht leicht zu fassen.

Der Budapester Künstler Janos Fodor hat Miniaturausgaben von Trainingsanzügen angefertigt, in denen sich Fidel Castro in den letzten Jahrzehnten hat blicken lassen. Die Schnitte ähneln sich, doch setzen sich die Elemente des Oberteils immer neu zusammen. Auch Alexey Kallima hat sich mit Trainingsanzügen beschäftigt: Seine mit Kohlestift gezeichnete Lonely-Man-Serie zeigt einen vollbärtigen Freiheitskämpfer im Zweiteiler mit den berühmten drei Streifen. Von Havanna bis zum Hindukusch hat sich die Ästhetik der Sportmode durchgesetzt.

Faszinierend wirkt es in Zeiten der Spiele aber doch, wenn Sportarten wie Gewichtheben, Kunstspringen oder rhythmische Sportgymnastik aus ihrem gewöhnlichen Bewertungszusammenhang gerissen werden. Keine Punktrichter, kein Stöhnen – nur der Akt der Selbstüberwindung durch die Athleten. So dargestellt, wirkt sogar eine zierliche Frau an einer Langhantel fast lässig. Zurück in die reale Sportwelt kommen Besucher von „Gentle War“ dann etwa mit einem 60-minütigen Dokumentarfilm über die ungarische Fußballlegende Ferenc Puskas, ein genialer Ballstratege, der fast häufiger gegen die Wirren des Kalten Krieges als gegen beinharte Verteidiger ankämpfen musste.

Ob schnaufende Schachboxer oder chinesische Rentner, die so begeistert im Zentrum Pekings Kniebeugen machen, als wäre Bewegung ihre neue Religion – der durch kunstvolle, mediale Aufbereitung ermöglichte Einblick in ihre Welten lohnt. Nicht trotz oder wegen der großen Inszenierung der Olympischen Spiele, sondern unabhängig von ihr. Nik Afanasjew

Collegium Hungaricum, Dorotheenstraße 12, Mitte. Bis 26. August, Mo–Fr 10–19 Uhr, Sa/So 14–19 Uhr. Eintritt frei.

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