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Festival: Chor@Berlin hat begonnen

Wir sind viele: Heute startet das Festival „Chor@Berlin“ im Radialsystem. Wenn das neue Sängertreffen ausgerechnet hier startet, darf man vermuten, dass sich etwas verändert hat in der deutschen Chorlandschaft.

Das innovationsverliebte Radialsystem ist wohl nicht der erste Ort, den man mit einem Chorfest in Verbindung bringen würde. Wenn das neue Sängertreffen „Chor@Berlin“ am heutigen 13. Januar aber ausgerechnet hier startet, darf man das auch als Zeichen dafür deuten, dass sich etwas verändert hat in der deutschen Chorlandschaft.

Erst vor fünf Jahren schlossen sich der Deutsche Sängerbund und der Deutsche Allgemeine Sängerbund zum Deutschen Chorverband zusammen der nun 750 000 Mitglieder in 27 000 Chören umfasst. Mitauslöser für das Fest war der Umzug der Geschäftsstelle nach Berlin: „Wir hatten keine Lust, nur in unseren Büros rumzusitzen und Mitglieder zu zählen“ sagt Moritz Puschke, der das Festival zusammen mit dem Dirigenten Frank Markowitsch und der Kulturmanagerin Sophie Schricker leitet. Denn die 2000 Berliner Chöre mit ihren 60 000 Mitgliedern stellten nicht nur zahlenmäßig den größten Kulturträger der Stadt dar, sondern seien Teil „einer Szene im Aufbruch“: geprägt von Vielfalt, hoher Qualität und neuen Formaten. Jetzt soll diese Szene als Marke erkennbar gemacht werden. Außerdem will man die Vernetzung verbessern. Was wiederum ganz im Sinne von Folkert Uhde und Jochen Sandig ist, den Managern des Radialsystems.

Staatliche Fördergelder ließen sich für die erste Ausgabe des Festivals nicht lockermachen – erst 2012 wird es einen Bundeszuschuss geben. Umso mehr Zuspruch fand die Idee bei den Chören selbst, sagt Chorverbandspräsident Henning Scherf: „Wir haben die kulturelle Spitze in Berlin als Partner gewonnen, zusammen mit den besten Laienchören.“ Dennoch geht es nicht um eine Leistungsschau: Aufgabe sei es letztlich, „alle zu motivieren, die mitsingen wollen – bis hin zu den Fans mit ihren Fußballgesängen im Olympiastadion“.

Die wichtigsten Trends in der Chor- und Vokalszene lassen sich am Programm ablesen. Einen ganzen Tag steht beispielsweise das Singen mit Kindern im Mittelpunkt. Bei Podiumsdiskussionen und Vorführungen geht es unter anderem um das Gütesiegel „Felix“ für kindgerechtes Singen, das zum 1. Juli 2011 bundesweit eingeführt werden soll, mit dem Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg als Modellregion. Wie sich die Erfahrungen von anderen Education- Projekten auf das Singen übertragen lassen, wird man von den Leitern des Grundschulprojekts „Primacanta – jedem Kind seine Stimme“ lernen können, das in Frankfurt/Main bereits flächendeckend eingeführt wurde. Lust am Thema Bildung soll auch der „KurzChorFilm“ machen, den Regisseur Thomas Grube („Rhythm is it!“) im Auftrag des Deutschen Chorverbands gedreht hat.

Dem Thema Fortbildung widmen sich zwei Projekte mit Frank Markowitschs neu gegründeter Vokalakademie. Der Chor, bei dem junge Sängerinnen und Sänger während der Arbeit von Stimmcoaches betreut werden, wird zum Auftakt Alessandro Scarlattis neu entdeckte Marienvesper aufführen und sich später für einen Chorleiterworkshop zur Verfügung stellen.

Die hauptstädtische Chorszene präseniert sich bei der „Langen Nacht der Chöre“ am Freitag: Hier werden acht Berliner Ensembles zu hören sein, die 2010 beim Deutschen Chorwettbewerb in Dortmund mit sehr gut oder herausragend bewertet wurden. Am folgenden Tag diskutieren Programmverantwortliche verschiedener Berliner Vokalensembles bei einem öffentlichen Runden Tisch über gemeinsame Strategien, Perspektiven und Vernetzungsmöglichkeiten reden. Ziel ist es, die Arbeit bei einem monatlichen Jour fixe weiterzuführen.

Zum Motor der neuen Lust am Chor gehört auch die boomende A-cappella- Szene, die mit ihrem hohen Männeranteil zugleich die These widerlegt, dass Jungs nicht singen. Was sich mit der Stimme dabei alles anstellen lässt, wird das Vokalquintett Berlin in einem Familienkonzert zum Zuhören und Ausprobieren zeigen.

Für neue Präsentationsformen und eine spirituelle Dimension des Singens jenseits von Kirchenchören steht ein Dunkelkonzert mit Rupert Huber, der als Leiter des Chorwerks Ruhr und erfahrener Schamane in jeder Hinsicht ein Guru der Chorszene ist.

Keine Sorge um Zuhörer muss sich der RIAS-Kammerchor machen, der das Festival am Sonntag beendet. Die wichtigste Botschaft des Festivals aber – nämlich die, dass man Menschen etwas vorenthält, wenn man ihnen nicht die Freude am Singen vermittelt – hat schon jetzt ein anderes Ensemble überbracht: der „Ich-kann- nicht-singen“-Chor. Er ist nämlich schon ausgebucht.

Vom 13. bis 16. Januar im Radialystem. Weitere Informationen unter: www.radialsystem.de oder der Tel.-Nr. 288 788 588.

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