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Stimme voll Gestaltungskraft. Sänger Christian Gerhaher.

© picture alliance / dpa

Christian Gerhaher im Kammermusiksaal: Zwei Kammern eines Herzens

Christian Gerhaher gibt einen Liederabend mit dem großartigen Pianisten Gerold Huber.

„Der Winter hat die Scheitel / mir weiß gedeckt“, heißt es in Rückerts Gedicht „Greisengesang“. Schubert setzt dazu frostiges h-Moll, die Todestonart. Dann: „Doch fließt das Blut, das rote / durchs Herzgemach.“ Hoffnung, Zuversicht auch im Klavierpart. Wie kein Zweiter konnte Schubert den Geist der dichterischen Vorlage musikalisch ausdrücken. Beim Liederabend von Christian Gerhaher und Gerold Huber im Kammermusiksaal kann man es genießend nachvollziehen, mit Schuberts Vertonungen von Gedichten aus Rückerts Sammlung „Östliche Rosen“.

Die beiden Künstler konzertieren schon lange miteinander, sie verbindet eine osmotische Energie. Der Straubinger Huber ist am Klavier mit seiner Haarpracht die barockere Erscheinung neben dem eher asketischen Gerhaher, der aus der gleichen Stadt stammt. Die Stärken seines Gesangs liegen weniger im Wohlklang, Gerhaher singt widerständig, voller Charakter und Farben. Vor allem in den Höhen und im Forte blüht der Bariton regelrecht auf. Dann ist die Stimme erfüllt von Gestaltungskraft. Einer Kraft, die ihm in der Tiefe und, damit meist verbunden, im Piano fehlt. Dort wird er oft fahl und blass, erzählt nichts.

Tausend Klangfacetten

Eine stille Sensation ist Gerold Huber. Man würde diesem kräftigen Künstler nicht sofort zutrauen, mit welcher Sanftmut er in die Tasten geht, sich der Partitur anschmiegt, ihr tausend Klangfacetten entlockt. Er brilliert in einer Rücknahme, die zu keiner Sekunde mit Schüchternheit zu verwechseln ist. Vielmehr haben wir es mit einem gespannten Lauern zu tun, das jederzeit ausbrechen kann und es auch tut. Nichts an Gerold Hubers Spiel ist vordergründig, alles hat Sinn, Ziel, Wirkung. Und es verpufft nicht, hallt lange nach im Gemüt. Ja, hier spielt ein großer Pianist.

Das Konzert lässt sich zugleich lesen als kleine Geschichte des Liedgesangs. Es beginnt mit Schubert, lässt Schumann aus, springt zum produktiven Wolfgang Rihm, der mit seinen erst vor zwei Wochen in Weimar uraufgeführten „Tasso“-Gedanken auf Goethe eine grüblerische Introspektive bietet. Mit „Warm die Lüfte“ vollzieht Alban Berg den Schritt aus der Tonalität und erweist sich schon hier als sinnlichster Komponist der zweiten Wiener Schule. Schließlich Hugo Wolf, der wie kein Zweiter dramatischen Ausdruck mit Fin-de-Siècle-Aura zu verknüpfen wusste. Gerhaher und Huber wirken nicht wie Sänger und Begleiter, sondern wie ein gemeinsam schlagendes Herz mit zwei Kammern. So entdecken sie ein Geheimnis ums andere in diesen Liedern – und lassen ihr Publikum daran teilhaben.

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