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Im Dissens über das Comicmanifest : Flix, Tim Dinter und Manuele Fior (von links) beim Internationalen Literaturfestival Berlin im September 2013.

© Markus Lippold

Kontroverse ums Comic-Manifest: Förderprojekte statt Herzensprojekte?

Die Forderung des Comic-Manifests, die Kunstform staatlich zu fördern, ist auf viel Ablehnung gestoßen – auch unter prominenten Zeichnern. Jetzt nahmen Comic-Künstler wie Flix, Nicolas Mahler, Ol und Atak Stellung.

Comics sind eine Kunstform wie Literatur, Film oder Theater und sollten vom Staat genauso behandelt und gefördert werden – für die 79 Erstunterzeichner des Comic-Manifests, das Anfang September im Rahmen des 13. Internationalen Literaturfestivals Berlin (ILB) vorgestellt wurde, ist diese Aussage eine Binsenweisheit. Neben Zustimmung erntete die Initiative jedoch erstaunlich viele ablehnende Reaktionen. In langen Facebook-Kommentaren wurde verächtlich über den „Ruf nach Staatsknete“ der Kopf geschüttelt und vor „Totsubventionierung“ wie beim deutschen Film gewarnt. Zusammen mit dem Appell, Comics als gleichberechtigte Kunstform anzuerkennen, fordert das Manifest von der Politik die finanzielle Unterstützung von Comic-Künstlern: „Es gibt keine Stipendien, die talentierten Zeichnern den Weg zu einer Existenz als Künstler ebnen könnten.“

Auf den ersten Blick eine verständlicher Forderung, die aber nicht von allen geteilt wird. Ein Blick auf die Liste der Unterzeichner offenbart: Bis auf Künstler wie Mawil, Gerhard Seyfried oder Atak haben nur wenige Stars der deutschen Comicszene das Manifest unterschrieben. Kein Ralf König, kein Reinhard Kleist, kein Fil, kein Walter Moers.

Und auch kein Flix. Der Zeichner war am Sonntag zu Gast beim Graphic-Novel-Day, der mittlerweile zum dritten Mal innerhalb des ILB stattfand. Zusammen mit Tim Dinter und dem aus Italien stammenden und in Frankreich lebenden Comiczeichner Manuele Fior diskutierte er über Literaturadapationen in Comics und äußerte sich auch zur Förder-Debatte: „Ich fände super, wenn Comics mehr Aufmerksamkeit bekämen und würde mich auch nicht gegen mehr Geld wehren, aber ich bin skeptisch, was die Forderungen des Manifests angeht.“ Er sehe die Gefahr, dass eine Schlacht um die Fördertöpfe losgehe und letztlich Comics entstehen würden, die nur Förder-Projekte seien: „Ein guter Comic entsteht daraus, dass er das Herzensprojekt eines Einzelnen ist.“ 

Angesprochen auf die Liste der Unterzeichner wurde Flix noch deutlicher: „Da sind zum einen Leute wie Cornelia Funke oder Ulrich Wickert, die eigentlich fachfremd sind. Die Unterzeichner aus dem Comic-Bereich hingegen wollen vermutlich einfach mehr Geld – ich finde diesen Wunsch zwar verständlich, aber er ist mir trotzdem irgendwie fremd.“     

In Belgien und Skandinavien völlig normal

Atak, der am Sonntag mit der Zeichnerin Aisha Franz und der belgischen Malerin, Bildhauerin und Comic-Künstlerin Dominique Goblet über die fließenden Grenzen zwischen Comics und anderen Kunstformen sprach, konnte diese Ablehnung nicht nachvollziehen: „Für mich ist es selbstverständlich, dass jeder, der Comics macht, das unterzeichnet. Tatsächlich war es jedoch am schwierigsten, die Comic-Zeichner für eine Unterschrift zu gewinnen.“ Für Atak gehe es in dem Manifest in erster Linie um ein Statement; wie und was letztlich gefördert werden soll, sei noch gar nicht das Thema: „Es geht vor allem darum, dass es in der Kulturpolitik einen Ansprechpartner für Comics gibt.“

Gute Erfahrungen mit Comicförderung hat Dominique Goblet (mitte) gemacht, hier mit Atak und Aisha Franz.
Gute Erfahrungen mit Comicförderung hat Dominique Goblet (mitte) gemacht, hier mit Atak und Aisha Franz.

© Markus Lippold

Nebenbei wies Atak darauf hin, dass Comic-Förderung in Ländern wie Belgien oder Skandinavien völlig normal sei. Dominique Goblet erzählte von ihrem aufwändigen Buch „Chronographie“, dass sie mithilfe staatlicher Unterstützung veröffentlichen konnte: „Comics, die erfolgreich sein wollen und sich am Markt orientieren, brauchen sicher keine staatliche Förderung, aber für experimentelle Comics ist sie unbedingt notwendig.“

Unter den rund 200 Besuchern des Graphic-Novel-Day fanden sich ebenfalls Befürworter des Manifests: „Es kommt natürlich darauf an, wie am Ende die Jury aussieht und unter welchen Bedingungen gefördert wird, aber dass Comics gefördert werden sollten, steht für mich außer Frage“, sagte Gisela Burda. „Die Gefahr einer ‚Totsubventionierung’ sehe ich nicht, denn Kultur wird allgemein zu wenig finanziert“, meinte der Berliner Nico Treppner, „ich würde Comics fördern, wenn ich das Geld dazu hätte.“

Lieber gut ausgestattete Bibliotheken?

Ein weiterer Nicht-Unterzeichner des Comic-Manifests ist der Berliner Zeichner Ol, der im Panel „Die Kunst des Witzes“ mit Nicolas Mahler aus Österreich und dem Belgier Brecht Vandenbroucke Einblicke in seine Arbeitsweise gab. Nach seiner Erfahrung seien Comics längst als Kunstform respektiert: „Ich musste lachen, als ich im Manifest las, dass es ein Skandal sei, dass Comics noch immer nicht anerkannt seien.“ Staatliche Förderung sah Ol als „neuen Wasserkopf“, von dem fraglich sei, wem er nütze. „Ich brauche es nicht“, sagte Ol, fügte allerdings an, dass auch er schon vom Berliner Senat für Comic-Projekte finanziell unterstützt wurde. Nicolas Mahler befürwortete grundsätzlich die Förderung von Comics, auch wenn er aus eigener Erfahrung wisse, dass es damit nicht getan ist: „Ich habe viele große Kämpfe führen müssen, um meine Kurzfilme finanziert zu bekommen.“

„Ich brauche es nicht“: Der Berliner Zeichner Ol (rechts) hält nichts vom Ruf nach mehr Comic-Förderung. Nicolas Mahler (mitte) und Brecht Vandenbroucke sehen das anders.
„Ich brauche es nicht“: Der Berliner Zeichner Ol (rechts) hält nichts vom Ruf nach mehr Comic-Förderung. Nicolas Mahler (mitte) und Brecht Vandenbroucke sehen das anders.

© Markus Lippold

Ein Grund für die teils sehr unterschiedlichen Bewertungen des Manifests könnte darin liegen, dass es ganz unterschiedliche Vorstellungen von Comic-Förderung gibt. Flix etwa fände es zunächst wichtiger, dass Comics ein größeres Publikum erhalten: „Gutes Marketing, gut ausgestattete Bibliotheken, Einbindung von Comics in den Schulunterricht, Initiativen wie der Gratis-Comictag – alles was über die Szene hinausweist, ist gut.“

Während in Deutschland noch um eine Comic-Förderung gestritten wird, wurde sie in der Schweiz bereits wieder abgeschafft: „Es gab in Zürich das sogenannte Werkjahr für Comics, bei dem man über einen längeren Zeitraum finanziell unterstützt wurde“, berichtete die Schweizer Zeichnerin Kati Rickenbach, die selbst diese Förderung erhalten hatte. Es habe allerdings Unmut in der Szene gegeben, dass immer wieder dieselben Zeichner für das Werkjahr ausgewählt wurden, so Rickenbach. Die Presse habe dies aufgegriffen und skandalisiert. Ergebnis: Das Werkjahr für Comics wurde gestrichen. „Letztlich wurde das Werkjahr durch Comic-Journalisten zu Fall gebracht“, sagt Rickenbach nicht ohne Verbitterung.

Das Comic-Manifest findet sich auf Deutsch, Englisch und Französisch auf der Website der Internationalen Literaturfestivals Berlin. Einen guten Überblick über die Debatte im Internet gibt es u.a. auf Comicgate.

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