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So viel Konkurrenz. Die Verlagsregale auf der Frankfurter Buchmesse – hier das von Droemer Knaur – sind prall gefüllt.

© dpa

Crowdfunding in der Literatur: Schreiben auf Bestellung

Im Internet können Autoren sich ihre Buchideen von Lesern vorfinanzieren lassen. Manchmal klappt das Crowdfunding für Literatur richtig gut. Aber die Plattformen dafür fangen an, sich gegenseitig das Wasser abzugraben.

Dirk von Gehlen hat es geschafft. Genauso wie Philipp Steuer, Onlineredakteur aus Köln, Jens Nink, Designer aus Berlin, und Eva Jung, Werbetexterin aus Hamburg. Sie alle haben bewiesen, dass man heute keinen Verlag mehr überzeugen muss, um ein Buch zu realisieren. Man kann auch die Crowd, die Masse, um Unterstützung bitten. Wenn genug Leute das Thema gut, den Autor authentisch, den Preis angemessen und das Werbevideo im Internet ansprechend finden, kommen schon mal fünfstellige Summen zusammen. Durch Vorbestellungen.

Vier Beispiele, vier Erfolgsstories: Dirk von Gehlens Medientheoriebuch "Eine neue Version ist verfügbar" kam auf 350 Unterstützer und 14.000 Euro, das „Sushi-Kochbuch“ von Jens Nink auf 165 Menschen und 15.000 Euro, Philipp Steuer erhielt für sein „Google+-Buch für Jedermann“ knapp 12 000 Euro, Eva Jungs „Alltagstourist“ liegt bei sagenhaften 22.000 Euro. Ein paar Tage Laufzeit hat das Buch noch. Die Autorin will noch höher hinaus: „AAAABER don’t forget: Gebraucht werden eigentlich mit allem Drum und Dran circa 30 000 Euro. Wäre also voll toll, wenn ihr weiter Werbung macht. Fetten Dank!“

Startnext.de hat 6,4 Millionen Euro per Crowdfunding gesammelt

„Insbesondere Sachbücher funktionieren beim Crowdfunding gut“, sagt Anna Theil, Sprecherin von Startnext.de, der bekanntesten deutschen CrowdfundingPlattform, bei der alle erwähnten Buchprojekte eingestellt wurden. Seit der Gründung des Portals 2010 hat Startnext 6,4 Millionen Euro eingesammelt, 1141 kreative und kulturelle Projekte konnten finanziert werden. Bücher spielen allerdings nur eine untergeordnete Rolle; Filme, Musik, Events und Theaterstücke finden bei Startnext deutlich mehr Unterstützer.

Immerhin 50 Bücher- und Zeitschriftenprojekte wurden in den letzten drei Jahren mit insgesamt 230 665 Euro finanziert. 96 weitere Projekte schafften es nicht, sie gingen leer aus. Dabei versucht das Portal, nur erfolgversprechende Manuskripte zuzulassen. Bevor Autoren ihre Buchideen einstellen dürfen, müssen sie zwischen 10 und 100 Fans gewonnen haben. Nur wer das hinkriegt, darf die Öffentlichkeit um finanzielle Unterstützung bitten.

Das ist auf der Webseite 100fans.de anders. Die Plattform ist ein Ableger der „Münchner Verlagsgruppe“ und konzentriert sich beim Crowdfunding allein auf Bücher. Einstiegshürden für Autoren gibt es keine, „auch keine Eingrenzung auf bestimmte Genres“, erklärt Projektmanagerin Felicia Englmann. Einziges Ziel: Die Autoren müssen innerhalb von zwei Monaten mindestens hundert zahlungsbereite Leser finden. Klappt das, wird das Buch herausgebracht – als E-Book und in der gedruckten Version. Die enge Anbindung an ein großes Verlagshaus sieht Englmann als klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber Seiten wie Startnext. „Der Autor muss keine Druckerei suchen, keinen Lektor, keinen Grafiker.“ Er muss sich auch nicht um die Auslieferung der vorbestellten Exemplare kümmern. Das erledigt alles die Plattform, die dafür an jedem verkauften Buch mitverdient.

Crowdfunding lebt von Eigenwerbung.

Zwei Wochen nach der Eröffnung der Seite ist der Andrang auf 100fans.de noch überschaubar. 14 Buchprojekte warten auf interessierte Leser, noch hat kein Buch die magische Marke von 100 geknackt. Kann ja noch kommen. Weit vorne liegen zurzeit eine lustige SprücheSammlung, ein Bildband über die SMS-schreibende Kanzlerin sowie ein Gothic Horror-Roman, der laut Werbetext „detaillierte Schilderungen von Sexualität, Gewalt und medizinischen Behandlungen“ enthält. „Für Jugendliche und sanfte Seelen nicht geeignet!“

Generell lebt Crowdfunding davon, dass ein Autor für sein Buch lautstark Werbung macht. Das fängt bei Freunden und Verwandten an, geht weiter mit den Facebook-Bekannten und Twitter-Followern. Erst wenn sich im engeren Umfeld des Autors eine breite Unterstützerfront gebildet hat, besteht die Chance, dass das Projekt größere Kreise zieht. Gute Startbedingungen hat außerdem, wer als Blogger, Autor oder Journalist bereits einen Namen hat. Für unentdeckte Schreibtalente ist es ungleich schwieriger.

Anders als in den USA ist Crowdfunding in Deutschland eher ein Medien- als ein Massenphänomen. Und die Plattformen graben sich untereinander das Wasser ab: Pünktlich zur Buchmesse hat 100fans.de Konkurrenz bekommen. Anfang der Woche stellte der Autor Sascha Lobo in Frankfurt seine neue Buchplattform Sobooks.de vor, eine Webseite, die zahlreiche interaktive Funktionen bietet und auf der Autoren ihre Bücher ebenfalls von Lesern vorfinanzieren lassen können. Der Begriff Crowdfunding, der immer ein wenig den „Beigeschmack des Bettelns“ habe, wird bei Sobooks bewusst vermieden. Lieber bemüht Lobo deutsche Kulturgeschichte: „Die Subskription ist ein sehr altes Instrument des Buchmarktes. Klopstock hat das schon gemacht.“

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