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Kultur: Das 100 DM-Willkommens-Geschenk wurde nicht immer sinnvoll angelegt

In den Duderstädter Sparkassen ging das Geld kurz vor Feierabend aus, Lübeck war schon mittags zahlungsunfähig: Die einstigen DDR-Bürger hatten gründlich abgeräumt. Nach dem 9.

In den Duderstädter Sparkassen ging das Geld kurz vor Feierabend aus, Lübeck war schon mittags zahlungsunfähig: Die einstigen DDR-Bürger hatten gründlich abgeräumt. Nach dem 9. November 1989 war Kanzler Kohl in die Rolle des guten Gastgebers geschlüpft. Mit einem schönen blauen Hunderter hieß er die Ostdeutschen in der wunderbaren westlichen Konsumwelt willkommen. Und was haben die mit dem Geld gemacht? Hagen Liebing hat nachgefragt.

100 Menschen gaben Auskunft, vom Modedesigner Torsten Amft bis zum Rockmusiker Dirk Zöllner. Ob es Leander Haußmann - wie einigen anderen - peinlich war, für 100 Mark in einer Schlange zu stehen, erfahren wir nicht. Jedenfalls hat er das Geld sofort für die Gesamtausgabe der Rolling Stones auf den Tisch geblättert. Bei "2001" in der Kantstraße, wo auch der Journalist Christoph Dieckmann Platten einpacken ließ, bevor der Laden - zwei Tage nach der Maueröffnung - "praktisch leer gekauft" gewesen sei. Regisseur Thomas Bischoff ging für den Hunderter Schnecken essen, während Sänger Andi Birr "die Hälfte bei McDonalds" umsetzte.

Ein paar geben zu, sich das Geld zweimal abgeholt zu haben ("das wird der Westen schon verkraften"), andere stolperten über die Fußangeln des Kapitalismus. Eine erwarb eine CD und durfte diese, obwohl eindeutig defekt, nicht mal umtauschen. Eine andere fiel auf Hütchenspieler herein. Und so weiter und so fort. Auf Dauer ermüdet die immer gleiche Frage: "Was haben Sie mit Ihrem Begrüßungsgeld gemacht?".

Gerade will man das Buch gelangweilt zuklappen, da kommt man doch ins Grübeln. Christoph Teichmann schließlich hat seinen Blauen sehr umsichtig eingesetzt. Er tauschte ihn um in 700 DDR-Mark und kaufte sich dafür im Osten "einen sehr guten Plattenspieler". Der funktioniere heute noch. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn alle DDR-Bürger die eigenen Produkte bevorzugt hätten. Auf diese clevere Idee sind nicht mal Lothar Bisky und Gregor Gysi gekommen und melden stattdessen stolz: "Begrüßungsgeld nicht abgeholt". Die CDU-Politikerin Claudia Nolte hatte dagegen keine Berührungsängste. Sie gab ihren Blauen für ein paar Eheringe aus.Hagen Liebing: Endlich Buntes, Ullstein-Taschenbuch, Berlin 1999, 125 Seiten, 12,90 DM.

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