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Kultur: Das Bündel Mensch

Wiederkehr der lesbaren Geste: Franziska Fennert in der Galerie Albrecht und Chris Succo bei Duve

Die Räume tragen Rosa oder Blau, alle Fenster stehen offen und ein Ende der verwinkelten Räumlichkeiten hinter halbrunden Bögen ist nicht in Sicht. Kein Zweifel: Die luftigen Behausungen, in denen Franziska Fennert ihre zumeist weiblichen Figuren arrangiert, sind reine Produkte der Fantasie. Ortlose Architekturen, wie sie nur die Malerei hervorbringen kann.

Einen direkten Bezug zur Realität hat bloß das Bündel Mensch, das auf den Bildern immer wieder auftaucht. Schlafend im wackligen Stubenwagen oder als jauchzendes, speckiges, nacktes Baby. Mehr Skizze als Zeichnung und dennoch sofort zu erfassen. 2009, kurz nach dem Stipendium in Indonesien, kam Fennerts Sohn auf die Welt. Seine Geburt steht so selbstverständlich in der Biografie der jungen Malerin wie das Studium an der Dresdner Kunstakademie oder die Tatsache, dass sie nun Meisterschülerin von Ralf Kerbach ist, bei dem sie auch schon studierte. Die Liste bisheriger Ausstellungen liest sich schnell, und so liegt es nahe, den Lebenslauf mit ein paar persönlichen Details aufzufüllen. Doch das war für Franziska Fennert nicht maßgeblich. Wer ihre Bilder in der ersten Einzelausstellung der Galerie Albrecht gesehen hat, der weiß, wie untrennbar sich in diesem Werk konkret Gesehenes mit irrealen Bildwelten verquickt.

Freude, Geborgenheit, Posaune blasende Engel: alles unzeitgemäße Themen. Auch die 1984 geborene Künstlerin hat sie erst in jüngerer Zeit für sich entdeckt. Dafür war ihr bereits an der Akademie klar, was sie nicht will: „Wer macht den besten Larry auf dem Markt, das war die Stimmung dort.“ Fennert entzog sich, mischte ihre Farben selbst – und arbeitete so lange an einem Bild, bis vor lauter Schichtungen nichts mehr zu sehen war. Ein trotziges Manöver, um keinem Trend zu folgen, den man am Ende noch überholen muss, um aufzufallen.

Die Konsequenz waren „Scheuklappen“, meint Fennert. Erst in Indonesien seien sie wieder abgefallen. Dank eines „Mega-Inputs“, der wenig mit aktuellen Strömungen zu tun hatte. An ihre Stelle traten Stille und Offenheit für Unbekanntes. Spaß an Mythen hatte die Malerin immer schon, nun aber mischt sie die Märchen des Inselstaates mit eigenen Erinnerungen, zurück bis in das Haus der Eltern, die Kunstdrucke an den Wänden hatten.

Das Ergebnis sind mitreißende Impressionen (450–6000 Euro). Bilder von roten Stieren, oder von runden Müttern mit exotischen Gesichtern, auf die sie ihre eigene Zufriedenheit projiziert. Und Interieurs mit Spuren von Matisse oder Chagall. Man braucht kein Zeichensystem, um die Motive zu entschlüsseln. Sie naiv zu nennen, trifft es allerdings auch nicht. Fennerts Bilder stecken voller Verweise, Protagonisten der Nibelungen treten ebenso auf wie javanische Märchenfiguren. Bloß von der Konzeptkunst hat sie sich verabschiedet. Das ist eine Haltung, keine Schwäche, und scheint als Thema gerade einige Künstler der jüngeren Generation zu beschäftigen.

Von anderer Seite, wenn auch mit ähnlichem Impetus, setzt sich in der Galerie Duve der 1979 geborene Chris Succo damit auseinander. Als Meisterschüler von Georg Herold entstammt er der Düsseldorfer Kunstakademie, sein Material ist die Bildhauerei mit körnigen Fotografien auf Holztafeln (1050–3700 Euro) oder abstrakten Skulpturen (3900–4100 Euro), die aus Latten gezimmert scheinen, tatsächlich aber aus patinierter Bronze sind. Die Gesten auf den überdimensionalen Abzügen wirken martialisch, hoch recken sich Fäuste und Arme, in den Achseln zeigt sich ein Schweißfleck. Eingekeilt wird diese unregelmäßige Stelle von zwei farbigen, geometrischen Formen, mit denen Succo das schwarz-weiße Bild übermalt und segmentiert.

Das klingt nicht unbedingt nach Analogien. Doch sind sich Fennert und Succo trotz ihrer unterschiedlichen Sujets in einem erstaunlich ähnlich: Beide beziehen sie Kopf und Körper in ihre Arbeit ein. Die Furcht vor der Intuition scheint ihnen fremd, das Sparsame, Reduzierte mögen sie nicht. Ihre Kunst schließt seltsam eigensinnig nach hinten in die achtziger Jahre auf. Die alte Strategie der lesbaren Geste wird hervorgeholt und überprüft, ob nach der Ära von Konzeptkunst und Institutionskritik auch anderes möglich ist. Es funktioniert erstaunlich gut.

Galerie Susanne Albrecht, Charlottenstr. 78; bis 17.4., Di–Fr 11–18, Sa 11–16 Uhr. Galerie Duve, Invalidenstr. 90; bis 23.4., Di–Fr 11–18 Uhr, Sa 12–18 Uhr.

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