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Kultur: Das Gesicht der Stadt

Akademie, Badeschiff, Club: Die Auszeichnungen spiegeln die Vielfalt der Metropole

Die Jury hat es sich nicht leicht gemacht. Das geht aus den Begründungen für die sieben Bauten hervor, die neben dem Hauptpreisträger Norman Foster ausgezeichnet wurden. Immer wieder ist von Kontroversen die Rede – und die Bandbreite der als „vorbildliche und richtungsweisende Beispiele in Architektur und Städtebau“ ausgewählten Gebäude ist groß. Die neue Akademie der Künste ist dabei, der Umbau des Olympiastadions, die Feuer- und Polizeiwache für das Regierungsviertel, das Winterbadeschiff der Arena, das Holocaust-Mahnmal, das Hotel Concorde sowie der Weekend-Club am Alexanderplatz: lauter starke Positionen urbaner Gestaltungsmöglichkeiten.

Einen herausragenden Platz nimmt die Akademie der Künste von Behnisch & Partner ein. Sie ist „ein mutiges Statement und Symbol für eine offene, transparente, komplexe, vielschichtig nutzbare und erlebnisreiche Architektur und zweifellos eine Bereicherung für die Stadt“, heißt es in der Jury-Erklärung. Dass Günter Behnischs Haus am Pariser Platz den Geist der Offenheit zum Ausdruck bringt, überwog denn auch die Zweifel, der Bau sei innenräumlich kaum nutzbar und klimatisch bedenklich. Bedenken gab es offenbar auch bei der Entscheidung, das Denkmal für die ermordeten Juden Europas auszuzeichnen. Die Jury konnte sich zunächst nicht einigen, ob es sich um Skulptur oder Architektur handelt. Peter Eisenman selbst nennt das aus 2711 Betonstelen bestehende Feld „a cross of De Chirico, Kafka and death“ oder einen „placeless place“, ein körperlich-räumliches Manifest gegen die NS-Blut- und Boden-Ideologie. Doch gerade die erneute Diskussion empfand die Jury als fruchtbar – und würdigt das Stelenfeld als „wertvollen Baustein der zeitgenössischen Kultur Berlins wie ganz Deutschlands“.

Lob ohne Abstriche gibt es für die Feuer- und Polizeiwache von Sauerbruch und Hutton als beispielhafte Verkörperung der Geschichte Berlins. Hier begegnen sich das steinerne und das gläserne Berlin kongenial: Das Berliner Architektenpaar verband die Überreste des einstigen Zollhofs am Moabiter Güterbahnhof mit einem funktionablen Dienstleistungszentrum, das sich hinter einer Fassade aus schindelartigen Glastafeln verbirgt. Sie schimmern in Rot und Grün und verweisen damit auf die Nutzer Polizei und Feuerwehr, die hier für das Regierungsviertel einen eigenen Standort erhielten.

Mit Jan Kleihues’ Hotel Concorde nahe dem Kurfürstendamm würdigt die Jury die Leistung eines Architekten, der das urbane Erscheinungsbild zu gestalten verstand. Wie ein Hochseedampfer pflügt sich die Ecke des Hauses mit seinen 17 Geschossen an der Kreuzung Joachimsthaler / Augsburger Straße in die City und spielt auf die Hochhausbauten amerikanischer Metropolen an. Zugleich zitiert es mit seinen abgerundeten Vorsprüngen das am Landwehrkanal gelegene ShellHaus. Auf lokale Traditionen spielt es auch durch die Verwendung von Muschelkalk an, einem klassischen Berliner Baumaterial. Die Jury schwärmt von „zeitloser Eleganz und der Atmosphäre gediegener Gelassenheit“, gar von „einem Selbstbild Berlins“ – woraus allerdings eher ein Wunschdenken der Preisrichter spricht.

In der Rubrik „Erneuerung und Sanierung sowie Neuinterpretation einer vorhandenen Bausubstanz“ lief die Gestaltung des Olympiastadions von Gerkan, Mark und Partner der Konkurrenz den Rang ab. Den Juroren gefiel der behutsame Umgang mit einem Denkmal, dessen Erscheinungsbild nur unwesentlich verändert wurde, während im unterirdischen Bereich die Nutzflächen erweitert werden konnten. Kritisch wird vermerkt, dass die diversen neuen VIP-Logen und Gastronomiebereiche das sportliche Spiel in den Hintergrund drängen. Lobend erwähnt wird das Ingenieurbüro Schlaich Bergemann und Partner , von dem das Stadiondach mit seinem raffinierten Stahlrohrfachwerk stammt.

Als Beispiele des hippen, anderen Berlin gelten die Umwandlung einer Etage im ehemaligen Haus des Reisens in einen Club und das Winterbadeschiff am Ufer der Kulturarena Treptow, beides Arbeiten junger Architekturbüros. Beim Weekend-Club des Architektentrios Baeker, Buschmann und Friedrich imponierte der Jury die mobile Lounge-Landschaft, die bei Sonnenuntergang die Stadt ins Zentrum rückt und zu später Stunde den Fokus auf die Tanzfläche lenkt. Das Projekt wage „ein klares Bekenntnis für eine stets sich ändernde Nutzungsmischung der Stadt“. Flexibilität zeichnet auch das Winterbadeschiff von Wilk Architekten aus, das aus drei längsgerichteten, transluzenten Röhren besteht, die rasch demontierbar sind. Ihnen gelang es, ein ohnehin ungewöhnliches Projekt wie das temporäre Badeschiff der spanischen Architekten „amp architectos“ für winterliche Wellness umzurüsten. „Rough und schnörkellos, aber beeindruckend räumlich ist das Erlebnis“, schreibt die Jury. Auch das ist Berlin – und der Architekturpreis wird zum multiplen Porträt der Stadt.

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