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Kultur: Das Weiß der Orchideen

Lasst Blumen sprechen – und Charlotte Roche: das Festival vor der Eröffnungsgala

Der Blumenschmuck des Berlinale-Palasts vor zwei Jahren? Vollkommen überflüssig, hätte man sich sparen können, hat jeder schneller vergessen, als die Blütenpracht welkte. Das ehrfurchtgebietende Dekolleté von Bai Ling, der „Berlinackten“ aus der Wettbewerbsjury, überstrahlte alles. Aber im Übrigen ist es natürlich sehr zu begrüßen, dass der Filmpalast am Marlene-Dietrich-Platz stets sehr frühlingshaft dekoriert ist und die Blumen, sobald sie die Köpfe neigen, flugs ausgetauscht werden. Im Vorjahr waren es Tulpen wie schon 2004, vor vier Jahre gar rote Amaryllis in Verbindung mit zartgrünen Weidenbündeln. Diesmal nun setzt das Festival ganz auf Weiß: Orchideen in Töpfen, garniert mit weißem Gesträuch. Vielleicht etwas fahl, aber zumindest exotisch und dazu ein aparter Kontrast zum roten Teppich.

Der war am Donnerstagmittag noch unter Plastikfolie verborgen, auch wurde noch überall fleißig gewerkelt, um das Haus für die feierliche Eröffnung der 57. Berliner Filmfestspiele fit zu machen. Die sollte um 19.45 Uhr beginnen, nach dem üblichen langen Einmarsch der mehr oder weniger berühmten Gäste, zu denen – so stand es in der Gästeliste – neben der einheimischen Prominenz, von Marie Bäumer über Detlev Buck, Hannelore Elsner, Christiane Paul oder auch Jürgen Vogel bis zu Nina Petri oder Günter Lamprecht auch internationale Berühmtheiten auftauchen, darunter Jeff Goldblum, Arthur Penn, Michael Ballhaus und Steven Soderbergh. Der Eröffnungsfilm „La vie en rose“ sollte durch Regisseur Olivier Dahan, die Edith-Piaf-Darstellerin Marion Cotillard und ihre Kollegen Sylvie Testud, Emmanuelle Seigner und Jean Pierre Martins vertreten werden.

Gerhard Schröder hatte während seiner Kanzlerschaft einmal die Berlinale eröffnet, Angela Merkel wollte auch diesmal diese Möglichkeit der Selbstdarstellung nicht nutzen und ließ ihrem Kulturstaatsminister Bernd Neumann den Vortritt, der ihm an sich ja auch gebührt. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, Jurypräsident Paul Schrader und selbstverständlich Berlinale-Chef Dieter Kosslick hatten für den Abend ihre wohlverteilten Aufgaben. Durch die 45-minütige Eröffnungszeremonie würde die schauspielernde TV-Moderatorin Charlotte Roche leiten, musikalisch unterstützt von dem Duo Jan Delay und Joy Denalane, ersterer HipHop-Reggae- Funk-Experte aus Hamburg, letztere Soulsängerin aus Berlin-Schöneberg. ZDF und 3sat wollten live übertragen.

Störungen durch Protestierer, wie sie früher zur Tradition der Berlinale-Eröffnung gehörten, wurden nicht erwartet. Kein studentischer Streik in Sicht, dessen Ausläufer vor wenigen Jahren bis vor den roten Teppich schwappten, keine Proteste gegen diese oder jene Gebühr, die die Betroffenen nach deren Ansicht endgültig in den Ruin treiben würde. Vergangenheit auch die Fahrradfahrer, die vor dem früheren Galaort, dem Zoo-Palast, wild klingend auf ihr Recht pochten und die Ehrengäste verschreckt zur Seite springen ließen. Heute gleiten Limousinen auf reservierter Fahrspur heran und davon – und wenn es mit dem Klimawandel weitergeht wie bisher, muss sich auch niemand mehr darüber ärgern, dass die Berlinale nicht wie einst im Sommer stattfindet. Vielleicht erleben wir es sogar noch, dass die Orchideen nicht nur drinnen stehen, sondern auch draußen die Auffahrt säumen.

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