zum Hauptinhalt
Jakob Dobers kam 1991 von Hamburg nach Berlin. Er spielt Gitarre, singt und textet.

© Alex Fuchs

Debütalbum von Jakob Dobers: Spatzen auf dem Rasen

Dem Berliner Musiker Jakob Dobers ist mit seinem Solodebüt „Der Rest vom Licht“ ein kleines Indiepop-Juwel gelungen. Es verbindet Poesie, Lakonie und Großstadmelancholie.

Früh dran zu sein oder ganz vorne dabei, hat Jakob Dobers offensichtlich noch nie interessiert. Er schaut lieber aus seinem ganz speziellen Winkel auf die Welt und beschreibt sie in einer feinen Mischung aus Lakonie und Poesie. Das kann schon mal ein bisschen dauern, weshalb der Berliner Musiker erst jetzt, mit 50 Jahren, sein Solodebüt herausbringt.

Es trägt den Titel „Der Rest vom Licht“ und handelt von Menschen, die sich unkonzentriert bewegen, Katzen, die Porzellan imitieren und Mutanten, die in Blechcontainern wohnen. Eine verschroben-verschobene Wahrnehmung, in der alles leicht unscharf und zugleich hyperreal erscheint wie auf dem Cover der Platte, die am Freitag erscheint.

Urbane Melancholie

Dass Dobers sich damit Zeit gelassen hat, ist gut, denn er hat ein kleines Indiepop-Juwel geschaffen, das von warmen Melodiefäden und einer urbanen Melancholie durchzogen wird. Schon der Eröffnungssong „Wir halten die Welt fest“ setzt mit fein arrangierten Gitarrenspuren, einer trocken tackernden Snare und hineingetupften Synthie-Effekten den Ton.

Jakob Dobers singt einen Text, der eine Reihe von Assoziationen, Aufforderungen und Szenen aufruft und gleich wieder verwischt, bis eine eigentümliche schwebende Atmosphäre entsteht. „Dieses Hocken auf dem Pflaster macht dich kaputt vor Sommer / Auf dem Rasen sitzen Spatzen und verbringen ihre Zeit damit auf der Hut zu sein“, heißt es ganz am Ende, bevor die Lead-Gitarre mit wenigen verwehten Tönen durch das Outro führt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Das Album erinnert mitunter an die Hamburger Band Die Sterne zu ihrer großen Zeit in den neunziger Jahren, aber auch an Peter Licht, etwa bei dem Stück „Platz der Republik“. Hier singt Jakob Dobers über junge Demonstrierende in Paris, für die der deutsche Beobachter sofort Sympathie entwickelt, obwohl er erst nicht weiß, worum es bei dem Protest geht. „Die Stimmung war nicht militant, aber auch nicht friedlich“, heißt es an einer Stelle.

Dobers muss nicht laut werden, um auszuteilen

Ähnlich verhält es sich auch mit dem Album, dessen eingängige Lockerheit nicht mit Harmlosigkeit zu verwechseln ist. Im Gegenteil: In den Songs blitzen zahlreiche Spitzen und Bissigkeiten auf, Dobers muss dafür nicht laut werden oder die Verzerrer aufreißen, er streut einfach gelegentlich ein paar gemeine Zeilen ein und lässt sie nachhallen. Etwa wenn er in dem kurzen Anti-Gentrifierzierungssong „Neues Haus“ den Gesichtsausdruck der reichen Bewohner beschreibt, den eine Mischung aus Lust und Angst prägt. „Den gab es früher schon / Bei Hofe, auf der Jagd, beim Kaffeetisch Beim Sex mit der Magd und beim Fisch an der Angel.“

Er spielte bei Zimtfisch und Sorry Gilberto

Das ist schon ziemlich schlau und stimmig alles, und es kommt natürlich nicht aus dem Nichts. Jakob Dobers, der 1991 aus Hamburg nach Berlin gezogen ist, ist seit langem Teil der hiesigen Indie-Szene. Mit der Band Zimtfisch bringt er 2002 das Album „Klettern“ heraus, es bleibt ihr einziges. Ein Jahr später erscheint sein Kurzgeschichtenband „Falsche Russen im Buch“. Anschließend ist Jakob Dobers vor allem beim Duo Sorry Gilberto aktiv, das er zusammen mit Anne von Keller gegründet hat.

Die beiden machen minimalistischen Songwriterpop, singen englisch und bringen es auf vier Alben. Sie treten überall in Deutschland auf, meist in kleinen Läden, sogar in Wohnzimmern. Prekär und tapfer schlagen sie sich durch, bewegten sich in einem Umfeld widerständiger Berliner Songwriterinnen, zu dem auch Kitty Solaris, Masha Qrella oder Christiane Rösinger gehören.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Eine Zeitlang spielt Jakob Dobers auch in der Rocktime Band von Freddy Fischer, deren Discoschlagersound er mit seinem funky Gitarrenspiel veredelt. Fischer hat im Gegenzug nun Schlagzeug bei den Aufnahmen zu „Der Rest vom Licht“ gespielt, den Bass bedient Josepha Conrad, Mitproduzent Florian Sievers das Keyboard.

Ein Song über "Rechte Philosophen"

Was an den 13 Songs neben der Unaufgeregtheit besonders auffällt: Es fehlt das große Popthema Liebe. Dafür wird es immer wieder politisch. Etwa in dem auch als Single veröffentlichten Song „Rechte Philosophen“, der Dobers’ von schräg links unten auf die Dinge blickende Perspektive besonders gut veranschaulicht. Zu einem krautrockig anmutenden Schlagzeugbeat und einer stoisch geschrubbten Gitarre singt er zweistimmig im Refrain: „Fern von den Menschen, nah an den Wäldern gehn sie umher / Sie reden in Zungen vor Ochsen und Kälber und wollen doch mehr. / Sie steigen in Schluchten rütteln an Tannen und suchen das Licht.“

Falls das noch zu nett klingen sollte, schiebt er hinterher, dass der Blitz die Philosophen treffen möge. „Und warum auch nicht.“ Dazu illustrieren rückwärts laufende Spuren die reaktionären Irrwege der rechten Denker. Wahrscheinlich wirkt der Song trotz aller Böshaftigkeit zu subtil, um sich zum Demo-Hit gegen Rechts zu entwickeln. Eine Freude fürs linksgrüne Prekariat ist er aber allemal.
„Der Rest vom Licht“ erscheint am 14.2. bei Staatsakt/Bertus/Zebralution. Record Release-Konzert: Berghain Kantine, 14. Februar 21 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false