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Kultur: Der entzauberte Himmel

Warum Darth Vader zum Bösewicht wird: George Lucas beschließt mit „Die Rache der Sith“ seine „Star Wars“-Saga

Darth Vader, nicht mehr der schwarz behelmte Comic-Schurke? Der Bösewicht als gequälter Held, als eigentliche Hauptfigur der „Star Wars“? Ist Anakin nun „der Erwählte“ und nicht sein Sohn, der Bauernjunge Luke? George Lucas mutet seinen Fans mit „Die Rache der Sith“, dem Abschluss der „Star Wars“-Saga, einiges zu. Er hat seine Gründe.

Es gab eine Zeit, da war Lucas noch nicht zur dunklen Seite der Macht übergelaufen. Damals wollte der Jungregisseur experimentelle Filme drehen, in denen Bild und Ton manipuliert und im freien Fluss sein sollten. Doch dann spielte er ein wenig mit den Vorräten der Pop- und Mythenproduktion herum und schuf eine allgegenwärtige Märchenmaschine, die unzählige Menschen verschiedener Kulturen und mehrerer Generationen in ihren Bann schlug. Es begann 1977. Lucas hielt sich streng an seine Bedienungsanleitung, Joseph Campbells Buch „Der Heros in tausend Gestalten“ und dessen Modell des „Monomythos“: Aufbruch, Initiation, Vatermord, Rückkehr, dazwischen Schlangen, Labyrinth und der Held im Bauch des Wals (hier: Todesstern). Die Heldengeschichte von Luke Skywalker, der seinen Vater morden soll, um die Welt zu retten, entfaltete sich nach der Katastrophe – in einem unbestimmten Traumreich. Dass die Ursünde Darth Vaders hinter dem Nebelschleier der Legende verborgen blieb, machte den epischen Kern der ersten „Star-Wars“-Trilogie aus.

Zwanzig Jahre später legte George Lucas unerschrocken Hand an seine Schöpfung und begann, den Schleier zu lüften. Wie wurde aus Lukes Vater Anakin der Tyrann Darth Vader? Eine neue Trilogie sollte diese Vor-Geschichte erzählen. Doch die Enttäuschung war groß, denn dem zweiten Triptychon mangelte es an allem, wofür die alten Filmen geliebt wurden: an Mythos, Märchen, Flash-Gordon-Pulp und lichtsäbelrasselnder Abenteuerromantik. Stattdessen mutete Lucas den Fans die Politisierung und Profanisierung eines Universums zu, das bis dahin von Unbestimmtheit und Fantastik geprägt war.

Im goldenen Zeitalter der Jedi-Ritter, von dem zu berichten war, zeigen sich die Ritter noch nicht als versprengte Eremiten, sondern als Eliteeinheit von Peacekeepern mit Hauptquartier im Kapitol. Unter deren wachsamen Augen gehen Senatoren, Separatisten und Royalisten ihrem Tagesgeschäft nach. Das Gezänk der Handelsföderation, die Intrigen im Senat, die nervtötende Knabengeschichte Anakins – sie fügen sich jetzt erst zu einem Gesamtstück, das nicht mehr in der zeitlosen Gegenwart des Mythos ruht, sondern fortwährend Fahrt aufnimmt auf dem Zeitpfeil in die Katastrophe. Wenn die alte Trilogie ein Mythos war, ist die neue eine Tragödie. Und „Episode III – Die Rache der Sith“, die heute in Cannes Europa-Premiere feiert und am Donnerstag ins Kinos kommt, ist ihr nachtdunkles Finale.

Die Unausweichlichkeit, mit der Anakin Skywalker (Hayden Christensen) darin vom inneren Dämon getrieben seinem Niedergang und seiner Verwandlung entgegenstrebt, hat etwas Zwingendes. Aufstieg und Fall sind eingebettet in eine Abwärtsspirale, ein Geflecht von politischen Intrigen und falschen Entscheidungen, an dessen Ende der Niedergang der Republik steht – und die dolchstoßartige Auslöschung der Jedi-Ritter.

Fast könnte man glauben, Lucas gestatte sich in „Episode III“ Kommentare zur Tagespolitik. Da erlässt Kanzler Palpatine (Ian McDiarmid) mit Hinweis auf die akute Republikgefährdung Notstandsgesetze. Da hält Anakin seinem ehemaligen Mentor Obi-Wan Kenobi (Ewan McGregor, stets gut gescheitelt) voller Hass entgegen: „Wenn du nicht für mich bist, bist du gegen mich.“ Am Ende wird der oberste Sith-Lord die Demokratie eigenhändig auseinander nehmen, wenn er im riesigen Senatssaal die Balkone aus den Verankerungen reißt und sie wie gewaltige Frisbees nach Yoda wirft, dem kleinen grünen Repräsentanten des alten Systems. Dem bleibt nun nichts als das Exil. Das ist der romantische Kern der Erzählung: Am Anfang steht die Zivilisation, die in einem höllischen Endspuk umschlägt in den Mythos. Das Vorspiel wird nachgeliefert als welt- und lebensmüde Entzauberung. Kein Wunder, dass sich viele Anhänger der ersten Stunde empört zeigen über Lucas’ Frevel am eigenen Werk.

„Die Rache der Sith“ verändert das Gesicht der gesamten „Star-Wars“-Hexalogie. Eine Heilserzählung, in der Anakin alias Darth Vader derart scheitert, mit Jammer und Schrecken, erträgt das Mainstreamkino nur, weil wir um die spätere Erlösung ja bereits wissen. Eine Erlösung allerdings, die von heute aus betrachtet nur eine zweiter Klasse ist.

Der Übergang von der Tragödie in den Mythos: ein hochriskantes Vorhaben. Doch er hätte George Lucas kaum besser gelingen können. Wer sich vor dem Kinobesuch noch einmal mit der Saga vertraut macht, wird einen sagenhaften Grusel erleben, wenn sich die Fäden zum Knoten schürzen und der schwarze Ritter erscheint; wenn sich das Vader-Motiv aus dem Orchesterwirbel herausschält und mit voller Wucht einschlägt.

Anders als im Mythos spielt das, was gesagt und wie es gesagt wird, in der Tragödie durchaus eine Rolle. Und da liegt das Problem. Lucas kann Welten erschaffen und Kriege entfesseln, aber bei einer Liebesgeschichte ist er überfordert. Was hätte man für eine tragische Opposition aufbauen können zwischen Senatorin Padmé (Nathalie Portman) und dem aufstrebenden Ritter, der nur das Beste will, dem das mit der Demokratie aber ein wenig zu lange dauert! Doch aus der stolzen Politikerin ist ein gebärfreudiges Mimöschen geworden, das schon mal nach Naboo vorausfliegen will, „um das Kinderzimmer einzurichten“. Wäre Prinzessin Leila vor 25 Jahren so etwas in den Mund gelegt worden, sie hätte George Lucas auf der Stelle mit ihren Schneckenzöpfen erdrosselt. Wenn im überwiegend frauenfreien Lucas-Universum überhaupt Intimität aufkommt, dann zwischen Söhnen, Vätern, Ersatzvätern. Eine Intimität, die sich freilich meist im ödipalen Abschlagen von Gliedmaßen entlädt. „Die Rache der Sith“ übt sich darin wie im Exzess.

George Lucas inszeniert nicht Menschen und Worte, sondern Farben und Formen. „Die Rache der Sith“ zeigt ihn auf der Höhe seiner Kunst: Er setzt einen exorbitanten Budenzauber frei, einen ungezügelten Farben- und Lichterrausch. Science Fiction als Überwältigungskino – und der Sternenkrieg verdichtet sich in der Entfesselung des Lichtschwerts. Das sind keine Actionsequenzen mehr, es ist pure kinetische Dynamik. Im Grunde macht Lucas, was er immer schon machen wollte: Filme, die mit Licht, Raum, Bewegung und Farbe erzählen. Jedes Wort ist da zuviel. Den Mythos im Lichtspiel aufgehen zu lassen, war einst ein guter Einfall. Das Tragische aber verlangt nach mehr. Deshalb fühlt sich die neue, erzählende Trilogie zuguterletzt leer an. Die alte, emblematische zehrte von dieser Leere.

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