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Victor Fielding (Leslie Odom, Jr.) holt Chris MacNeil (Ellen Burstyn) zur Hilfe, um seine Tochter Angela zu retten.

© universal Pictures

„Der Exorzist: Bekenntnis“ im Kino: Glaubenskrise der anderen Art

Nach dem „Halloween“-Franchise legt der Regisseur David Gordon Green nun den zweiten Horrorklassiker aus den 1970er Jahren auf. Um Nostalgie geht es ihm dabei aber nicht.

Von Andreas Busche

Vom richtigen Framing kann auch ein Horrorfilm profitieren. Zwar ließ sich Pauline Kaels Verdacht nie belegen, dass William Friedkins „Der Exorzist“ 1973 der katholischen Kirche einen Mitgliederzuwachs beschert hatte – so wie gut zehn Jahre später zum Beispiel „Top Gun“ der U.S. Navy.

Ein Werbefilm für die Kirche, wie die furiose Kritikerin damals behauptete, war Friedkins Klassiker wohl vor allem für Fundamentalisten, die sich in ihrem Kampf gegen das Böse – und gegen die Modernisierung des kirchlichen Dogmas durch das Zweite Vatikanische Konzil – bestätigt sahen.

Friedkins Film hat dieses religiöse Framing gut überstanden; und dies sogar trotz der Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen Father William J. O’Malley aus dem Jahr 2019, der in „Der Exorzist“ eine kleine, aber tragende Rolle spielt.

Werbefilm für die katholische Kirche

Als einen Werbefilm für die katholische Kirche würde heute wohl kaum noch jemand das Original bezeichnen, auch wenn die „International Association of Exorcists“ seit 2014 offiziell vom Vatikan anerkannt ist. Dafür ist seine Reputation als effektvoller und schockierender Horrorklassiker – nicht nur für junge Eltern – auch nach fünfzig Jahren unbestritten.

Ob das bereits – nach zwei Sequels, einem Prequel und einer Fernsehserie von 2017 – eine weitere Neuauflage von William Peter Blattys Bestseller rechtfertigt, lässt sich wohl eher mit Marktgepflogenheiten begründen. Sequels und Reboots erfreuen sich gerade im Horrorfilm großer Beliebtheit. Der Produzent Jason Blum hat sich mit seinem Boutique-Studio Blumhouse eine einträgliche Nische geschaffen, die ein wenig an den legendären Genre-Impresario Roger Corman erinnert.

Regisseur David Gordon Green galt um die Jahrtausendwende mit Filmen wie „George Washington“ und „All the Real Girls“ mal als Hoffnungsträger des US-Independentkinos, bis heute taucht er auch immer wieder an der Peripherie der Comedy-Klasse um Judd Apatow auf.

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Seine Kinofilme, selbst die generischen Auftragsarbeiten, zu denen Green gelegentlich tendiert, haben sich einen leicht renitenten Geist bewahrt, der selbst dem längst zu Tode verfilmten „Halloween“-Franchise noch vereinzelte überraschende Momente bescherte. Und die Klassiker haben es ihm angetan, „Der Exorzist: Bekenntnis“ ist der Auftakt zu seiner zweiten Horror-Trilogie, die direkt an das Original anknüpft und die zahlreichen Fortsetzungen ignoriert.

Ellen Burstyn kehrt in ihrer alten Rolle zurück

Green, der mit seinem Kumpel Danny McBride auch das Drehbuch schrieb, denkt dabei stets vom Genre her: wie man bekannte Motive auf originelle Weise neu erzählen kann und dem Vorbild trotzdem gerecht wird. Dass er für „Der Exorzist: Bekenntnis“ nach fünfzig Jahren Ellen Burstyn wieder für ihre Rolle aus dem Original (die Mutter der besessenen Regan) gewinnen konnte, folgt einerseits der Logik von „Legacy“-Verfilmungen: Hollywoods Geschäft mit der Retromanie. Um Nostalgie geht es Green es allerdings nicht.

Dafür steht eher Alexandre O. Philippes filmischer Essay „Leap of Faith: Friedkin über „Der Exorzist“, der diese Woche den deutschen Kinostart von „Der Exorzist: Bekenntnis“ flankiert. Der kürzlich verstorbene Friedkin gibt darin viel Anekdotisches zum Besten, Geschichten, die schon hundertmal erzählt wurden und den Mythos des Originals begründeten. In dem Interview fällt jedoch ein Satz, der sich für Green als instruktiv erweist: „Der Exorzist“ sei ein Film über das Mysterium des Glaubens gewesen.

Von einem Ausflug in den Wald kehren Angela (Lidya Jewett, links) und Katherine (Olivia Marcum) verändert zu ihren Eltern zurück.

© universal Pictures

Das Verständnis von Glauben ist in „Der Exorzist: Bekenntnis“ weiter gefasst – so wie Green fünfzig Jahre später auch alle möglichen Aspekte von Diversität einfließen lässt: eine Würdigung des rohen Realismus’ des Originals, der Friedkins Genrefilm auch zum New-Hollywood-Klassiker machte. Dass die Rollen von Ellen Burstyn und ihrer Filmtochter Linda Blair nun von Leslie Odom Jr. und der 16-jährigen Lidya Jewett gespielt werden, ist kein revisionistischer „Tokenism“ – es fügt sich wie selbstverständlich in seine Geschichte ein.

Es ist auch der weiße Nachbar, der die afroamerikanische Heilerin Dr. Beehibe (Okwui Okpokwasili) in das Haus von Victor bringt, um dessen Tochter Angela von ihrem Dämon zu befreien. („Vielleicht solltest du deine Augen für neue Wege öffnen.“) Das christliche Kreuz hat im Kampf gegen das Böse seine Macht verloren, dazu bedarf es heute schon einer gemeinschaftlich-synkretistischen Anstrengung.  

Mit solchen Feinjustierungen verleiht Green seinem düsteren Realismus (der Exorzismus wird ausführlich in Szene gesetzt) immer wieder eine ironische Note. Als Horrormotiv ist die Besessenheit (nicht zuletzt wegen ihrer misogynen Konnotationen) ohnehin ein Anachronismus. Auch darum handelt „Der Exorzist: Bekenntnis“ in seinem Kern nicht mehr von einer Glaubenskrise, sondern von einem Kindheitstrauma.

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