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Kultur: Der Giebelstürmer

Vom Bauhaus zur Postmoderne: zum Tod des Architekten Philip Johnson

Er hatte sie alle überlebt. Seine Lehrer, die Bauhaus-Heroen Gropius und Breuer, Le Corbusier, den er in die USA einlud, und seinen Freund Mies van der Rohe, den er ins Exil nach Chicago holte. Aber auch seinen langjährigen Partner John Burgee und Hermann Henselmann, mit dem er verabredet hatte, ihren hundertsten Geburtstag gemeinsam zu feiern. Nun ist Philip Johnson im Alter von 98 Jahren in seinem berühmten Glashaus in New Canaan/Connecticut gestorben.

Philip Cortelyou Johnson, geboren 1906 in Cleveland, Ohio, als Sohn eines Anwalts, wollte erst Musik, Philosophie oder ein philologisches Fach studieren, wandte sich jedoch der Kunstgeschichte zu. 1940 begann er zusätzlich ein Architekturstudium in Harvard, da war er bereits Vorsitzender der Architekturabteilung des Museum of Modern Art. Gemeinsam mit Henry-Russell Hitchcock hatte er 1932 die legendäre MoMA-Ausstellung „The International Style“ kuratiert, mit der der höchst erfolgreiche Stilbegriff aus der Taufe gehoben wurde. Johnson hatte als erster erkannt, dass Mies van der Rohe, Gropius, Neutra und Le Corbusier, die angetreten waren, die Architektur von Stildiktaten und semantischer Überfrachtung zu befreien und sie nur der Konstruktion und der Funktion zu weihen, einem Irrtum unterlegen waren und dass die Moderne längst nach stilkritischen Methoden definierbar war. Man musste dem Kind nur noch einen Namen geben: „Internationaler Stil“.

Noch einmal, 1988, betrieb er dieses Spiel, organisierte im MoMA eine Ausstellung von Architekten wie Frank O. Gehry, Zaha Hadid, Coop Himmelblau, Daniel Libeskind, und nannte sie „Dekonstruktivistische Architektur“, auch dies ein Label, das fortan die Architekturdiskussion bestimmte. Immer war er der erste, auch 1979, als der Pritzker-Preis gestiftet wurde und er den „Nobelpreis der Architektur“ seinen zahlreichen Ehrungen hinzufügen konnte.

Philip Johnson erschien als perfekte Verkörperung des amerikanischen Systems: berühmt, weil erfolgreich, weil in Finanzwelt und Politikerkreisen heimisch. Und er war Kind des 20. Jahrhunderts, spielte perfekt die Klaviatur der Mediengesellschaft, betrieb die Baukunst als Showgeschäft. „Ich bin eine Hure“, ein Standardspruch, mit dem er so provokant wie entwaffnend Disputen aus dem Wege ging: Wer als Architekt die Wünsche des Bauherrn erfüllt, hat die Bauten auch nicht zu verantworten. Aber natürlich hat Johnson zeitlebens selbstverantwortlich entworfen, Bauherren beschwatzt und für seine Ideen eingenommen, dazu als Impresario auf das Architekturgeschehen in den USA Einfluss genommen, etwa als Berater der Bronfman-Familie, deren berühmtes Seagram-Building in Manhattan Mies van der Rohe mit seiner Hilfe errichtet hat. Unermüdlich hatte Johnson drei Tage die Woche in seinem Büro gearbeitet, bis er im vergangenen Oktober die Geschäfte an seinen Partner Alan Richie übergab.

Johnson hat Monumente gebaut, die in die Architekturgeschichte eingegangen sind, angefangen mit seinem Glashaus, mit dem er 1949 Mies in dessen eigener Architektursprache übertraf und das so nutzlos wie unpraktisch ist („Überflüssige Dinge sind die schönsten“). Sein AT&T-Hochhaus in New York, wegen des gesprengten Barockgiebels „Chippendale-Kommode“ genannt, gilt als das erste postmoderne Hochhaus; es zitiert die schwere Tektonik einer romanischen Krypta und die italienische Renaissance nach Art von Alberti und Brunelleschi.

Ein anything goes also als Lebensphilosophie und als Architekturprogramm. Das ist verwunderlich, hat doch Johnson seine frühe Sympathie für den Nationalsozialismus nie verhehlt. Ihn faszinierten die Ikonographie des NS-Staates und die blonden Jungs in schnittigen Uniformen. Später hat er nationalistische Tendenzen in den USA tatkräftig unterstützt. Auch bei seinem ersten Bau in Deutschland war ihm diese Gesinnung nicht im Weg: Rudolf August Oetker gab bei ihm 1963 eine Kunsthalle für Bielefeld in Auftrag und benannte diese nach seinem Stiefvater Richard Kaselowsky. Erst 1998 strich der Gemeinderat den Namen des strammen Nationalsozialisten, worauf Oetker Geld und Dauerleihgaben zurückzogen.

Stets war Johnson weniger an den Inhalten als an den Formen, an Pointen und Wirkungen interessiert. Es gefiel ihm, der Pittsburgh Plate Glass ein neogotisches Hochhaus wie einen kitschigen Badezimmerspiegelschrank hinzustellen. Eleganz und Größe hat sein gotisierendes dreistufiges Bankhochhaus unmittelbar neben dem älteren, schwarzglänzenden Doppel-Dreikant des Pennzoil Place in Houston. Und Berlin beschenkte er mit einem Büro- und Geschäftshaus am Checkpoint Charlie, das wohl nicht in die Baugeschichte eingehen wird. Berlin war für Johnson kein glückliches Kapitel.

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