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Kultur: Der Gott der kleinen Lüste

Hauptdarsteller seiner selbst: zum Tod des portugiesischen Filmregisseurs João César Monteiro

Sein tollstes Stück, meinen seine nicht zuletzt weiblichen Fans, war das mit den Schamhaaren. In „A Comédia de Deus“ (Die Komödie Gottes? Die Göttliche Komödie?) sammelt sein alter ego João de Deus nichts Geringeres als weibliche Schamhaare, die er sorgfältig in einem Album hortet, das er „Das Buch der Gedanken“ nennt. Seine Korrespondenzen und Tauschaktionen mit anderen Schamhaarsammlern in aller Welt bringen ihm eines Tages eine pubes vom mons veneris der Königin Victoria, bei der man sich dergleichen Bewuchs niemals vorstellen kann. Es ist seine Blaue Mauritius, und er ist aus dem Häuschen.

Das war João César Monteiro fast immer, wenigstens in seinen Filmen, in denen sein bevorzugter Hauptdarsteller João César Monteiro war. Ihre Schizophrenie, Frenesie, Exzentrik, Scham(haar)losigkeit, ihr Exhibitionismus sind ohne Beispiel, Luis Buñuel, der vom „Goldenen Zeitalter“, zum Quadrat, Dalí und das surrealistische Manifest in einem. In „Branca de neve“ (Schneewittchen), einem seiner letzten Filme, den er bewusst (und weil er nicht genug Geld hatte fürs Farbige) in Schwarz-Weiß gedreht hat, gibt es ganz konsequent lange Passagen von reinstem Schwarzfilm. Selbst Wohlwollende schüttelten den Kopf .

In „As bodas de Deus“ (Die Hochzeiten Gottes) hat er dagegen viel Geld (geerbt) und vergnügt als João de Deus in seinem Palast jenseits dieser Welt mit Dutzenden von Frauen.

Ein bescheideneres Projekt, die Verführung der schönen Tochter seiner Wirtin, misslingt dem alten, klapprigen Mann in „Recordaçães da casa amarela“ (Erinnerungen an das gelbe Haus). Da plagen außer seine Lüste die Wanzen den kleinen, hageren, knochigen Körper dieses schmalen Handtuchs. Als die Wirtin von solchen Hausgenossen nichts wissen will, demonstriert er ihr sein Betttuch und liest aus dem Lexikon vor: es sei die übliche Bezeichnung für ein Insekt aus der Familie der Pentatomiden, das sich von Pflanzensaft ernähre, sein Name leite sich vom lateinischen „pulex“ (Floh) her, und Wladimir Majakowski, fügt er hinzu, habe es „punaesia normalia“ genannt, die normale Strafe.

Pervers, lüstern, zuweilen schweflig verschwiemelt: Was hat man nicht alles seinen knapp zwanzig kurzen und langen Filmen nachgesagt, aber niemand, der Augen hat, kann die hohe, präzis formulierte Ästhetik übersehen. Die strahlende Leuchtkraft seiner bis in jede Cadrage sensibel kalkulierten Filmsprache ist eingebettet in den langsamen, fluiden Gang der Bilder und Töne, langsam, fast träge und melancholisch wie die portugiesische Literatur und der Fado. So hatte er seinen eigenen Stil geschaffen, der schon als Monteirismus in die Geschichte eingegangen ist.

Geboren 1939 im Badeort Figueira da Foz, übte er sich als Filmkritiker, ehe er nach London auf die School of Film Technique ging. Die Literatur hätte seine andere Leidenschaft werden können, aber die Bilder des alten Lissabon und das Kino waren mächtiger. So mächtig, dass sich in seinen Filmen immer wieder Erinnerungen, ja ganze Passagen reinster Zitate finden. Gelegentlich auch von Cineasten, die er verehrte, wie Rainer Werner Fassbinder. Wer ihn wohl zitieren wird? Am Montag ist Monteiro im Alter von 64 Jahren in Lissabon an einer Krebserkrankung gestorben.

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