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Kultur: Der Hosenbund

Von Iran nach Schwaben: Angelina Maccarones Fluchtromanze „Fremde Haut“ mit Jasmin Tabatabai

Mitteilungen an Bord eines Flugzeugs, welche Städte und Meere man gerade überfliegt, lösen meist nichts als einen lethargischen Seitenblick der Passagiere aus. Hier ist das anders. Die Nachricht, dass man das Gebiet des Iran soeben verlassen hat, bewirkt einen bemerkenswerten Temperamentsausbruch der Fluggäste. Frauen nehmen ihre Kopftücher ab, und Fariba geht erst einmal auf Toilette, schüttelt ihre langen Haare aus dem Tschador. Sie kann ihn jetzt nicht mehr gebrauchen, oder doch? Sie wickelt ihn um den Rauchmelder und zündet sich eine Zigarette an. Nun erkennt sie jeder. Es ist – endlich einmal wieder – Jasmin Tabatabai. Geschafft!

In Deutschland braucht sie den BGS-Beamten nur noch erklären, warum sie ihr Asyl geben müssen. Weil sie, eine Iranerin, in Teheran eine Frau liebte. Und weil im Iran die Todesstrafe darauf steht. Aber so überdeutlich wird der Film nicht, und nicht nur das ist seine Qualität. Seine Verhaltenheit ist schön. Denn nachher, im entscheidenden Augenblick, sagt sie dem deutschen Beamten nichts von der verbotenen Liebe, und dass sie weg musste, damit es nicht zum Schlimmsten kam. Der iranische Dolmetscher irritiert sie, die selbstbewusste Fariba schämt sich, nicht mit dem Verstand, aber mit dem Gefühl, so tief eingebrannt in unsere Nerven ist unser Herkommen. Sie nennt „politische Gründe“.

Natürlich überzeugt Jasmin Tabatabai, schließlich ist sie ja fast eine Iranerin, aber die eigentliche Herausforderung kommt erst noch. Glauben wir ihr, dieser so weiblichen Frau, auch den Mann?

Die wichtigsten Entscheidungen im Leben fallen oft in Sekunden. Bei ihr wird es der winzige Zwischenraum, der den Schock über den Selbstmord des neuen Freundes trennt von dem Entschluss, ihm seine Jacke auszuziehen, seine Hose – und er zu werden: Siamak Mustafai. Sie hatte ihn eben erst kennen gelernt im Übergangslager; sie muss ihn begraben, ohne dass einer was merkt. Sie muss jetzt überhaupt sehr viele Dinge tun, ohne dass einer was merkt. Duschen zum Beispiel.

Jasmin Tabatabai gibt ihrem Siamak eine dunkle Melancholie, wortkarg ist er auch: besser man spricht nicht soviel mit dieser bedenklich hohen Stimme. Wenn Frauen Männer sind und umgekehrt, werden meist Komödien daraus, aber wie der ganze Film, so ist auch der Ton des Lachens hier verhaltener. Natürlich ist es nicht unkomisch, wenn eine Großstädterin wie sie sich plötzlich in der schwäbischen Provinz wiederfindet. Mit vielem hat sie gerechnet in Deutschland – mit Sielmingen nicht. Und wohl auch nicht mit Maxim, dem Weißrussen, mit dem sie jetzt ein Zimmer teilen und immer wieder sein Heimatvideo gucken muss. Fast kennt sich Siamak-Fariba in Weißrussland schon besser aus als in Sielmingen. Und dann geht alles ganz schnell.

„Fremde Haut“ von Angelina Maccarone hat eine schöne ruhige Intensität, so wie Jasmin Tabatabais Gesicht und die Liebe einer Schwäbin zu diesem merkwürdig-sanften Iraner, mit dem irgendetwas nicht stimmt. Das sieht sie genau.

In Berlin in den Kinos Hackesche Höfe (teilweise OmU), Neue Kant Kinos, Passage und Xenon

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