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Der Cheflektor des Suhrkamp Verlages Raimund Fellinger (1951 -2020), aufgenommen bei einem Festakt.

© dpa

Raimund Fellinger ist tot: Der Mann, der bei Suhrkamp Thomas Bernhard und Peter Handke betreute

Seine Autoren sind berühmt geworden, sein Name steht für die Geschichte des Suhrkamp Verlags: Zum Tod des Lektors Raimund Fellinger. Ein Nachruf.

Berühmt geworden sind immer die anderen, nie er selbst. Berühmt waren und sind Autoren wie Thomas Bernhard, Peter Handke, Andreas Maier, Uwe Johnson oder Peter Sloterdijk – aber wenn der Name Raimund Fellinger fällt, dürften selbst Literaturinteressierte oder Leserinnen von Bernhard, Handke, Maier oder Sloterdijk erst einmal rätseln.

Wie es sich gehört für einen guten Lektor, einen Suhrkamp-Lektor zumal, blieb Raimund Fellinger stets im Hintergrund, nahm er die Manuskripte seiner Autoren (und nicht so vielen Autorinnen) entgegen, prüfte sie und setzte sich dann wieder mit ihnen Verbindung, in Chaville, Oberösterreich oder in Frankfurt am Main, um zu loben, zu meckern oder Änderungsvorschläge zu machen.

Auch wenn sein Name vielen nicht sofort etwas sagt, so ist er doch ein Inbegriff für den Suhrkamp Verlag, konzentriert sich in der Person von Raimund Fellinger die Suhrkamp-Geschichte gleich mehrerer Jahrzehnte.

1980 übernahm er die Verantwortung für die Edition Suhrkamp

1951 im saarländischen Dillingen als Sohn eines Postbeamten und einer Hausfrau geboren, aufgewachsen in einem Haushalt, in dem es praktisch keine Bücher gab, wie er es einmal in einem Interview bekannte, kam Fellinger nach einem Studium der Germanistik, Linguistik und Politikwissenschaft Ende der siebziger Jahre zum Suhrkamp Verlag und wurde hier schnell der Lektor von Handke und Bernhard, weil beide Autoren sich mit dem Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld, der gleichzeitig ihr Lektor war, überworfen hatten.

Schon zuvor war ihm die Verantwortung für die Edition Suhrkamp übertragen worden, bis er 2006, einige Jahre nach dem Tod von Siegfried Unseld 2002, zum Cheflektor des Suhrkamp Verlags berufen wurde. 2010 übernahm Fellinger auch das Insel-Cheflektorat, um so die Programme beider Verlage noch besser abstimmen zu können.

In den Jahren der vielfältigen Suhrkamp-Turbulenzen, als der Verlag nach Berlin zog und wegen des Gesellschafterstreits mit Hans Barlach um sein Überleben kämpfte, blieb Raimund Fellinger der ruhende Pol im Hintergrund. Er sorgte dafür, dass die Literatur, die der Verlag veröffentlichte, nicht unter den Turbulenzen im Haus zu leiden hatte.

Fellinger stellte sich stets in den Dienst seiner Autoren, sie hatten in ihm einen treuen Begleiter und Befürworter. Es war ihm unangenehm, so schien es zumindest von außen, übermäßig viele Worte zu machen oder gar mit der Entdeckung bestimmter Autoren anzugeben. Wenn er danach gefragt wurde, nannte er in der Regel den 2015 verstorbenen Soziologen Ulrich Beck und dass dieser mit „Risikogesellschaft“ einen Begriff geprägt habe, „der die letzten vierzig Jahre bestimmt hat und sicher die nächsten vierzig Jahre bestimmen wird. Da kann man sich einigermaßen zurücklehnen und sagen: Hast du mal gut gemacht.“, wie er im Suhrkamp-Logbuch bekannte.

Zuletzt gründete er mit Korrektur selbst noch einen Verlag

Zurücklehnen war seine Sache jedoch nicht. Fellinger sorgte in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der Peter-Suhrkamp-Stiftung für den Ausbau des Wolfgang-Koeppen-Archivs der Universität Greifswald, war Präsident der Internationalen Thomas-Bernhard-Gesellschaft, bescherte Peter Handke, noch bevor dieser den Literaturnobelpreis bekommen sollte, eine Gesamtausgabe bei Suhrkamp und hielt mit den Chroniken 1970 und 1971 und der Herausgabe eines großen Siegfried-Unseld-Buchs auch das Andenken seines langjährigen Verlegers in Ehren.
Akribisch kümmerte er sich jedoch vor allem um die Pflege des Gesamtwerk seines Lieblingsautors Thomas Bernhard. Immer wieder brachte er neue, kleine Bücher aus dessen Nachlass heraus, und in Österreich gründete er überdies den Korrektur Verlag. Dieser veröffentlicht Bücher, die mit der Person und dem Werk von Bernhard in Zusammenhang stehen; Bücher, die sich der Suhrkamp Verlag aus ökonomischen Gründen dann doch nicht erlauben will und kann, so wie zuletzt die Briefe der frühen Bernhard-Lektorin Anneliese Botond an ihren Autor.

Schon schwer gezeichnet von seiner Krebserkrankung, war es noch einmal eine große Genugtuung für ihn, dass sein Autor Peter Handke 2019 in Stockholm den Literaturnobelpreis verliehen bekam. Am Samstag ist Raimund Fellinger im Alter von 68 Jahren in Frankfurt am Main gestorben

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