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Höchste Ehren. Wolf Erlbruch 2017 bei der Verleihung des Astrid Lindgren Memorial Award in Stockholm.

© picture alliance/AP Photo / CHRISTINE OLSSON

Der Mann mit dem Maulwurf: Wolf Erlbruch ist tot

Er war Deutschlands bekanntester Kinderbuch-Illustrator - und zugleich viel mehr als das.

Von Gregor Dotzauer

Die Erfahrung des Todes begleitete ihn von früh an. Sein Vater, ein Textiltechniker, starb von eigener Hand, als Wolf Erlbruch 26 Jahre alt war. Ein Kind kam bei der Geburt ums Leben. In seine Zeichenkunst drängte das Thema erst viel später, dann aber mit einer Selbstverständlichkeit, die ihm wohl nur gelang, weil er damit schon so lange umgegangen war.

„Ente, Tod und Tulpe“, ein ein aus 622 Wörtern und 29 Illustrationen bestehender, 2007 erschienener Dialog zwischen einer Ente und dem Tod, der sie zu sich holt, wurde sein zweiterfolgreichstes Buch. Und obwohl auch das erfolgreichste, „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ (Text Werner Holzwarth), mit seiner Lust an der Groteske, aller kindlichen Lieblichkeit trotzt, erneuerte es fast zwei Jahrzehnte darauf seinen Ruf als fantasievoller Illustrator, dem nichts Menschliches fremd war, von Grund auf.

Wolf Erlbruch, am 30. Juni 1948 in Wuppertal geboren, hatte nach seinem Studium an der Essener Folkwang Hochschule in der Werbebranche schnell international Fuß gefasst. Aber aus dem dienstfertigen, fremden Auftraggebern gehorchenden Zeichnen, zog es ihn weiter in Richtung der freien Kunst. Deshalb gab er seine Professor für Illustration an der Düsseldorfer Fachhochschule auch zugunsten einer Professur an der Bergischen Universität Wuppertal auf.

Umfangreiches Bestiarium

Die reinen Zeichenarbeiten der ersten Jahre erweiterten sich zu komplexen Collagen, wie sie auch „Ente, Tod und Tulpe“ prägen, und der Brille tragende Maulwurf, der eine Zeitlang auch zum Werbemaskottchen der Deutschen Bahn wurde, bekam mit einem umfangreichen Bestiarium Gesellschaft. Einen Eindruck von der Weite seiner Welt vermitteln insbesondere seine Kinderzimmerkalender.

Lange bevor von All-Age-Literatur die Rede war, besetzte er aber mit seinen bald nur noch selbst geschriebenen Geschichten ein Feld, auf dem sich Klein und Groß gleichermaßen tummeln konnten.

Ob er zu Texten von Karl Philipp Moritz oder James Joyce arbeitete – die Literatur blieb, sichtbar und unsichtbar, ein wichtiger Bezugspunkt. Als seine Lieblingsschriftstellerin bezeichnete er im Interview mit dem Tagesspiegel allerdings einmal Natalia Ginzburg, die ihm mit ihrem herzerwärmenden Sinn für menschliche Einsamkeiten und ihrem trügerisch schlichten Ton besonders imponierte.

In seinem Fach, das er wie kein anderer definierte, wurde er auch mit Auszeichnungen überhäuft: Die höchste Ehrung war der Astrid Lindgren Memorial Award, der ihm 2017 als erstem Deutschen zugesprochen wurde. Jetzt ist er, viel zu früh, mit 74 Jahren gestorben.

Niemand weiß, was ihm der Tod, dem er selbst ohne Schrecken ins Auge sehen wollte, zuletzt zugeflüstert hat. Aber die Erinnerung an Wolf Erlbruch hat eine Zukunft, nicht anders als sein künstlerisches Erbe: Mit seinem 1984 geborenen Sohn Leonard hat er schon zahlreiche gemeinsame Projekte umgesetzt.

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