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Kultur: Der Netzwerker

Hans Neuendorf, Gründer des Internetportals Artnet, eröffnet ein Büro in Berlin

Zur Zeitung greift auch ein Internetprofi wie Hans Neuendorf immer noch jeden Morgen, obwohl Homepages wie die der New York Times oder Spiegel-Online natürlich ebenfalls zu seiner täglichen Lektüre gehören. Vor allem aber auf Reisen ist das Papierformat immer noch praktischer – und unterwegs ist der 1937 geborene Hamburger eigentlich immer. Doch obwohl er gerade aus Italien kommt und am Nachmittag schon weiter nach Spanien fährt, hat Neuendorf bei seiner Stippvisite im neuen Berliner Büro des Kunstportals Artnet nichts von einem überdrehten Jetset- oder Internet-Freak, sondern strahlt vor allem hanseatische Gelassenheit aus.

1989 wurde die Internet-Plattform von sieben Kunsthändlern und Sammlern gegründet. Ihr erstes Projekt war die Entwicklung einer Software, mit der man Farbabbildungen per Telefonleitung verschicken konnte. In der Ablösung des klassischen Fotos sah Neuendorf den Schlüssel zur Revolution des Kunstmarktes. „Ich hatte mir vorgestellt, dass da ein riesiger Bedarf an elektronischen Daten ist.“ Doch die Händler waren ihrer Zeit voraus. Der Computer gehörte noch nicht zur Standardausrüstung von Sammlern und Galerien, zudem waren die Leitungen mit den großen Datenmengen überlastet.

Dass Neuerungen nicht immer gleich zum Erfolg führen, hatte der Hamburger Galerist bereits Anfang der sechziger Jahre erfahren. Mit amerikanischer Pop-Art erntete er zwar Lob von der Presse, aber der kommerzielle Gewinn blieb aus. Dabei war er ein Vollblutkunsthändler, der schon als Student der Philosophie- und Kunstgeschichte die Liebe zur Kunst mit seinem Geschäftssinn verknüpfe. Mit 300 Mark trampte Neuendorf seinerzeit nach Paris, kaufte Grafiken von Matisse oder Picasso und verkaufte sie mit 100 Prozent Gewinn an seinen Zahnarzt und Nachbarn.

Artnet gelang der Durchbruch schließlich 1995 mit dem Einstieg ins Internet. Heute verzeichnet das Portal 1300 internationale Galerien, die über 150000 Kunstwerke von 25000 Künstlern offerieren. Das macht einen Teil des Kapitals des börsennotierten Dienstleisters aus, denn der Grundeintrag für Galerien kostet monatlich 350 Dollar. Im Internet sind die Galerieinformationen kostenlos. Gebühren kostet allerdings das Nutzen der Datenbank von Auktionsergebnissen, wobei dieser Service einzigartig ist: Mit wenigen Mausklicken sind 2,8 Millionen Ergebnisse abrufbar, die seit 1985 weltweit von 500 Auktionshäusern notiert wurden. Ein spezieller Service informiert Sammler zudem per E-Mail, wenn Werke eines gesuchten Künstlers in einer Auktion oder Galerie auftauchen. Und die Nachfrage steigt: Mittlerweile verkehren auf Artnet.com rund 2,3 Millionen Besucher pro Monat.

Nun geht es an die Eroberung der europäischen Märkte, denn obwohl Artnet inzwischen knapp 280 New Yorker Galerien listet, findet man an gerade mal zehn aus Berlin. Mit den Büros an der Spree, in London oder Paris sowie einem aktuellen Internetmagazin in der jeweiligen Landessprache soll das nationale Kunstgeschehen fokussiert werden.

Bei der Entwicklung des Kunstmarkts im Internet zieht Neuendorf Parallelen zum Entstehen der Kunstmessen, an dem er 1967 als Mitinitiator der heutigen Art Cologne beteiligt war. „Da war ein sehr großes Bedürfnis des Publikums, einen Überblick über Preise zu bekommen. Das Prinzip haben wir auch auf Artnet angewandt.“ Doch der Marktüberblick ist ausbaufähig. Denn die viel gerühmte Transparenz des Kunsthandels durch das Internet ist bis dato nur begrenzt realisiert.

Die Datenbanken berücksichtigen mit den Auktionsergebnissen eben nur einen Teilmarkt. Galeristen handeln die Preise nach wie vor diskret. Diese „Geheimniskrämerei“ hält Neuendorf angesichts eines international agierenden Marktes für ein Relikt aus Zeiten, in denen sich wenige Sammler um wenige Stücke bewarben. „Wenn man bei Artnet einen Künstler sucht, tauchen vielleicht zehn Galerien auf, die den vertreten. Will man die erst alle anrufen? Der Sammler will die Information gleich haben.“

Die nächste Etappe sind Online-Auktionen. Obwohl Artnet, ähnlich wie Sotheby’s, mit Pilotprojekten Millionenverluste einfuhr, ist Neuendorfs Glaube daran unerschüttert. Durch den Wegfall aufwändiger Kataloge sowie Kunsttransporte und Versicherung will er die Transaktionskosten von heute üblichen 30 auf zehn Prozent reduzieren. „Das Volumen der Umsätze wird sich – ähnlich wie an den Börsen, als die elektronisch wurden – vervielfachen“, schätzt er zuversichtlich. Worte wie Impulsivkauf und -verkauf fallen, und hier scheint auch die Pulsfrequenz von Hans Neuendorf zu steigen – und sein gutes Gespür hat er ja schon mehrfach bewiesen.

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