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Kultur: Der Rembrandt-Ofen

Die 9. Ars Nobilis Berlin wärmt sich an den bleibenden Werten alter Kunst

Tomm, tomm: Klopft man vorsichtig auf die mit Pergament bespannte Sitzfläche des Armlehnstuhls von Carlo Bugatti, klingt es wie aus dem Innern einer Buschtrommel. Volker Wurster von der Bremer Galerie Neuse, die Bugattis rund 110 Jahre altes Extremsitzmöbel auf die 9. Ars Nobilis mitgebracht hat, ist begeistert. Und das nicht nur, weil eine Etage höher Limousinen jener Nobelmarke verkauft werden, die Bugattis Sohn Ettore begründet hat.

Zufrieden zeigen sich die 28 Aussteller der Ars Nobilis vor allem, weil herausragende Antiquitäten auch künftig wertbeständige Investitionen sein werden. Dabei muss alte Kunst nicht einmal konservativ aussehen. Der um 1897 entstandene Sessel, nun mit 110 000 Euro bewertet, erinnert mit seiner asymmetrischen Silhouette und dem wilden Mix verschiedenster Materialien an den Thron eines durchgeknallten Fürsten. Unweigerlich fragt man sich, ob das Geld für einen Altmöbelmeister wie Bugatti nicht besser angelegt ist als für ein unter Hochdruck entstandenes Werk von Damien Hirst.

Langfristig auf jeden Fall. Die Finanzkrise hat den Kunstmarkt erreicht. Moden und Preisschwankungen gibt es, seit mit Kunst gehandelt wird. Doch noch tritt im Antiquitätensektor trotz der Verknappung erstklassiger Ware das spekulative Moment zurück. Die Ars Nobilis könnte davon profitieren. Albrecht Neuhaus aus Würzburg, Kunsthändler seit 43 Jahren, fasst den Erfolg der Messe in einem Satz zusammen: „Es ist jedes Mal besser geworden.“ Sicher, das Berliner Publikum bleibt hemdsärmeliger als andernorts. Allerdings hat Neuhaus beobachtet, dass die Besucher – 2007 waren es über 35000 – jünger und interessierter werden.

Neuhaus lockt mit französischen Luxusmöbeln wie dem von Charles Topino um 1775 geschaffenen Bonheur du jour, einem zierlichen Multifunktionsmöbel für die Dame mit typischen Blumenintarsien (145 000 Euro). Und mit mittelalterlichen Skulpturen, etwa dem um 1380 im baltischen Ostseeraum entstandenen Flügelaltar mit original gefassten Halbfiguren (200 000 Euro). Die von den Berliner Händlern Udo Arndt, Jürgen Czubaszek und Ernst von Loesch organisierte Ars Nobilis ist im Gegensatz zu den malereilastigen Contemporary-Messen eine eminent dreidimensionale Veranstaltung.

Was für ein Vergnügen, durch die kräftig entschlackte Messearchitektur auf die meterhohe Vitrine der Kunstkammer Georg Laue aus München zu blicken. Laue zeigt seine exquisite Kollektion Augsburger Miniaturkabinettmöbel des 16. und 17. Jahrhunderts (10 000–800 000 Euro). Ein ausgewachsenes Exemplar, den von Georg Bockschütz gefertigten Kabinettschrank mit feinen Reliefs, hofft Laue an ein Museum in Übersee zu vermitteln. Das Vergleichsstück steht im Kunsthistorischen Museum Wien.

Mit fürstlicher Provenienz kann Möbelspezialist Otto von Mitzlaff (Wächtersbach) aufwarten. Die von Joseph Gruber 1817 in Wien gefertigte Mahagoni-Kommode (68 000 Euro) im damals bereits retrospektiven style transition sowie zwei passende Poudreusen (42 000) stammen aus dem mährischen Schloss Feldsberg/Valtice der Fürsten von Liechtenstein. Aus gleicher Quelle bietet Thomas Schmitz-Avila (Bad Breisig) ein weiteres Kommodenpaar (110 000 Euro). Sein herausragendes Möbel ist diesmal jedoch ein Berliner Sekretär (138 000 Euro): edelster preußischer Klassizismus vor Schinkel.

Mit Preußens großem Architekten in Zusammenhang steht eine Architekturzeichnung aus dem Umkreis von Karl Gotthard Langhans. Ernst von Loesch verweist auf den alten handschriftlichen Vermerk: „aus dem Nachlass von C. F. Schinkel“ (2900 Euro). In dem von Schinkel und Peter Beuth herausgegebenen Sammelwerk „Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker“ wird der antike Medici-Krater abgebildet. Trotzdem ist das von Klaus Spindler (München) angebotene 71 Zentimeter hohe Exemplar (49 000 Euro) der einzige bekannte Eisenguss in dieser kapitalen Größe.

Unter den Gemälden findet sich ebenso Museales. 1843 malte Eduard Gaertner die Klosterkirche Lehnin. Frye & Sohn (Münster) bietet das Mittelformat für 250 000 Euro an. Heiter wirkt dort Jacob Philipp Hackerts 1777 signierte Campagna-Landschaft (385 000 Euro). Ideal und Material treffen sich in frühen Meißen-Porzellanen von Röbbig (München), so zwei von George Fritsche d. Ä. um 1728 modellierte Chinesen als Leuchterpaar (195 000 Euro) und in den feinen Art-déco-Gläsern der Kunsthandlung Schürenberg aus Aachen (ab 750 Euro) .

Handfest wirkt der 1775 von Johann Adler bemalte Ofenaufsatz aus der Stockelsdorfer Fayencemanufaktur, den Udo Arndt (Alterna Kontor für antike Öfen) aus etlichen von einem Dachboden geborgenen Einzelteilen zusammengesetzt hat. Der Preis von 337 000 Euro erklärt sich nicht nur aus der Qualität des voll funktionsfähigen Wärmespenders. Lediglich ein weiteres von Adler signiertes Stück blieb erhalten: im Lübecker St.-Annen-Museum. Der sonst eher bescheidene Arndt ist überglücklich: „In der Welt antiker Öfen ist das so, als ob ein bisher unbekannter Rembrandt aufgetaucht ist.“

Ars Nobilis, Automobil Forum, Unter den Linden 21, bis 16. 11., Mo-Fr 11-20 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr, Eintritt frei.

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