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Der verstorbene Schriftsteller und Filmemacher Klaus Voswinckel

© privat

Der stille Sänger: Zum Tod des Schriftstellers und Filmemachers Klaus Voswinckel

Seine Prosa tanzt wie schwerelos zwischen Erzählung, Poesie und sinnlicher Philosophie, fürs Fernsehen schuf er tiefgründige Porträts. Nun ist Klaus Voswinckel mit 81 Jahren gestorben.

Er war der stille Sänger im Lande. In Deutschland und Italien. Denn der Schriftsteller und Filmemacher Klaus Voswinckel lebte je halbjährlich in München und, nahe dem Meer, am italienischen Stiefelabsatz in Apulien. Schon auf der ersten Seite seines früh gerühmten Debütromans „Lapidu“ (1979) schrieb Klaus Voswinckel „… ab nach Süden, über die Berge und immer den Träumen nach… Drückt uns die Daumen, Freunde. Wir werden den Abend aus den Angeln heben.“

Das hatte bei diesem roadmoviehaften Beginn durchaus Anklänge an seinen gleichaltrigen Dichternachbarn Wolf Wondratschek, damals im wilden München-Schwabing, wo Voswinckel in den frühen 1970ern auch zu den Mitbegründern der ersten deutschen Autorenbuchhandlung gehörte. Aber der oft aufgekratzte Sound jener Münchner Schule à la Wondratschek, Klaus Lemke, Doris Dörrie, Helmut Dietl war dann doch nicht Voswinckels Grundton.

Kunststücke über Kunst

Der gebürtige Hamburger, der an seinem 81. Geburtstag am vergangenen Donnerstag in München infolge eines jähen Krebsleidens gestorben ist, er war auch geprägt von seinen Begegnungen mit Paul Celan. Über den Dichter des schwarzen Lichts der Shoa und der „Todesfuge“ hatte Voswinckel promoviert und in seinem wunderbaren Buch „Aufbrüche, Wiederkehr“ hat er vor gut zehn Jahren noch einmal das letzte Treffen mit Celan 1970 in Paris, nur eine Woche vor dessen Selbstmord, in eine geisterhafte Wiederbegegnung verwandelt.

Voswinckels Prosa tanzt wie schwerelos zwischen Erzählung, Essay, Poesie und auch sinnlicher Philosophie. Doch nicht nur im Schreiben war er ein großer Menschen-Erfasser. Auch in seinen zahlreichen Fernsehfilmen, die er in den Jahren von 1980 bis 2010 meist für den Bayerischen Rundfunk drehte, hat er (oft zusammen mit seiner Frau Ulrike Voswinckel) vor allem von Musikerinnen und Musikern unterhaltsam spannende und zugleich tiefgründige Porträts geschaffen. Ob ein ghanesischer Trommelkönig, eine apulische moderne Volksmusikband, ob die Komponistin Sofia Gubaidulina oder ihre Kollegen Wolfgang Rihm, Steve Reich oder Matthias Pintscher – allemal waren das Zauberstunden, um Musik mit den Augen zu hören, mit den Ohren zu sehen. Filme über Kunst, die selbst Kunststücke sind.

Feine Sensationen

In seinen Büchern, die seit längerem in der ambitionierten österreichischen Bibliothek der Provinz erschienen sind, hat Klaus Voswinckel im Sinne von Elias Canetti tatsächlich von der Provinz des Menschen erzählt. Eine Provinz, deren Hintergrund die Natur- und Kulturlandschaften vornehmlich des mittelmeerischen Südens waren, von Apulien bis zur Türkei und hin zu Israel. Ob im Lebensroman „Helen“, dem Kontinente und Zeiten verbindenden Porträt der einst in Apulien lebenden Künstlerin Helen Ashbee, oder im Reiseroman „Tarantella oder Hölderlin tanzt“: Voswinckel wusste Reflexion und Erzählung, Aphorismus und poetisch Betrachtung derart zu verbinden, wie das in eher romanischer (oder romantischer) Tradition in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur auf diesem Niveau fast nur Botho Strauß oder Peter Handke gelingt.

Eigentlich sollte vergangene Woche in München auf einem Verlagsfest der Bibliothek der Provinz Klaus Voswinckel auch aus seinem neuesten Buch lesen: „Unterwegs, mit der Hoffnung“ (das Komma im Titel war ihm wichtig). Dazu ist es nicht mehr gekommen.  Das Buch erscheint im Juni und ist wieder ein Reiseabenteuer, das vom süditalienischen Brindisi auch nach Albanien führt. Die „Hoffnung“ reist dabei mit in Gestalt eines kleinen Hundes. Es geht um Menschen, Tiere, wunderbar feine Sensationen. Mal ist es nur das klopfende Herz einer Eidechse, mal ein Spiel der Liebe, mal die Einsicht, dass am Anfang der Sprache die Stille war. Von Tschechow bis Beckett war „Stille“ ein winzig riesenhaftes Innehalten der Welt. Und auch bei Klaus Voswinckel erfährt man noch einmal im Lesen die sonst so unaufhaltsame Welt.

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