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Kultur: Der Weg in die Welt

Europa und das Fremde: Wie sieht das Museum der Zukunft aus? Ein internationales Treffen in Berlin

Die Empfehlung zum Schluss kam überraschend: Stay as you are! Bleibt, wie ihr seid! Da hatten die Dahlemer Museen Experten aus aller Welt eingeladen, Vertreter neuester Konzeptionen von weit her eingeflogen, um sich erzählen zu lassen, wie sie ihre außereuropäischen Sammlungen an der Peripherie der Hauptstadt beim großen Umbau der Berliner Museumslandschaft und angesichts rückläufiger Besucherzahlen attraktiver gestalten könnten. Und ausgerechnet die wollten alles unberührt lassen? Es war wohl der Respekt vor den großartigen Berliner Sammlungen, vor der Leistung eines Wilhelm von Bode Anfang des 20. Jahrhunderts, der die Gäste höflich Zurückhaltung üben ließ. Denn ändern muss sich in Dahlem viel, um der Anziehungskraft von Museumsinsel und Kulturforum etwas entgegen zu setzen. Das wissen die Direktoren des Ethnologischen Museums, des Museums für Indische Kunst und des Museums für Ostasiatische Kunst eigentlich selbst am besten.

Die Idee eines Umzugs in das wieder zu erbauende Stadtschloss vis-à-vis der Museumsinsel hat eine Zeit lang die Fantasie beflügelt. Wären da nicht die finanziellen Nöte: 590 Millionen Euro soll der Bau kosten plus 80 Millionen Euro für die rekonstruierte Barockfassade; Geldgeber weit und breit nicht in Sicht. Eine Denkpause von zwei Jahren hat deshalb Anfang Oktober die Arbeitsgruppe „Schlossareal“ verordnet. Seitdem liegen die Ideen für das so brillant ausgemalte „Humboldt-Forum“ brach. Dort sollen sich einmal die außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Sammlungen der Humboldt-Universität und die Bestände der Berliner Landesbibliothek vereinigen. Die Dahlemer Museen müssen sich also selbst helfen. Warum nicht das „Humboldt-Forum“ heute schon gründen: am eigenen Standort und in Vorwegnahme aller Märchenschlösser? Das Kolloquium „Ausstellen von Kunst und Kulturen der Welt“, organisiert vom Institut für Museumskunde, sollte dafür erste Denkanstöße liefern.

Ein wenig sind die Dahlemer Direktoren dann doch vor ihrem eigenen Mut erschrocken. Das war im Großen Vortragssaal sogleich zu spüren. Willibald Veit, Chef des Museums für Ostasiatische Kunst, sprach in seiner Eröffnungsrede vom „letzten Adrenalinstoß“ zum Ende seiner Direktorenkarriere und konstatierte doch: „Anthropologische Fragen können nur von hier aus beantwortet werden.“ Auch wenn ihm Begriffe wie global museum kalte Schauer den Rücken herunterjagen, so weiß auch er als Vertreter einer älteren Kuratorengeneration, dass in einer globalisierten Welt gerade auf die außereuropäischen Sammlungen neue Aufgaben warten. Die Berliner Technik-Anthropologin Mareile Flitsch hatte für ihn gleich konkrete Änderungsvorschläge parat: Statt nur harmlos Lotusschühchen zu präsentieren, müsse er auch medizinisches Forschungsmaterial von abgebundenen Füßen aus der pathologischen Abteilung der Charité zeigen.

Doch solche Neuerungen sind nichts gegen die erdrutschartigen Verschiebungen, wie sie sich zurzeit beispielsweise in den außereuropäischen Sammlungen Schwedens vollziehen. Vier Häuser mit Sitz in Stockholm und Göteborg werden dort zusammengeworfen, um einem hochtrabenden Nationalmuseum für Weltkultur Platz zu machen. Die Generalintendantin Eva Gesang-Karlström war jedenfalls nicht in der Lage, die Vorteile dieser Fusion zu vermitteln. Auch das Pariser Modell des Musée du Quai Branly bereitete den Berlinern offensichtlich Unbehagen. Auf Wunsch des Staatspräsidenten als eines der letzten grand projets gegründet, werden hier die besten Stücke für ein Museum der Kunst Afrikas, Asiens, Ozeaniens und beider Amerika zusammengezogen, um in einer gigantischen Vitrine Jean Nouvels neu zu erstrahlen.

Doch wie bei dem Londoner Museum of Mankind, das wieder unter das Dach des British Museum zurückgekehrt ist, versucht man in Paris, einer neuen Lebenswirklichkeit gerecht zu werden. Wenn sich die großen Metropolen zunehmend als melting pot der Nationen erweisen, dann müssen auch ihre Museen Auskunft über die verschiedenen Ursprünge geben können.

An diesem Punkt las Marie Louise von Plessen, Kuratorin des gerade entstehenden Musée de l’Europe in Brüssel, den Dahlemern dann doch die Leviten. Sie empfahl den Kuratoren, den behaglichen Südwesten Berlins doch nur einmal in Richtung Kreuzberg zu verlassen, um dort am Beispiel der Bewohner eines Hauses die unterschiedlichen Kulturen des Kochens, Wohnens, sich Kleidens zu studieren. „Sie müssen sich selber bewegen, bevor sie andere bewegen können!“ Und sogleich machte die Ausstellungsmacherin einen Strauß an Vorschlägen, zu welchen Themen die außereuropäischen Sammlungen gemeinsam Präsentationen entwickeln könnten – Leben und Tod, religiöse Beziehungen, wie sie etwa auch im Londoner Museum of Mankind behandelt werden.

So viel war von Anfang an klar. „Wir müssen unsere Kräfte bündeln“, hatte Willibald Veit noch zur Eröffnung gesagt. Doch bitte kein Kuddelmuddel zwischen Kunst, Ethnologie und Ethnografie. „Jeder soll seine eigene Disziplin im Rücken behalten, um den Diskurs zu bereichern“, lautete das Credo von Konrad Vanja, Direktor des Museums Europäischer Kulturen, das von seinem selbstständigen Standort unter ein Dach zu den anderen Sammlungen ziehen wird. „Wir müssen uns auf unseren eigenen Weg besinnen“, so Viola König, Direktorin des Ethnologischen Museums. „Am Ende wird es eine typisch Berlinische Lösung geben, das Humboldt-Forum eben.“

Womit das Kolloquium wieder am Ausgangspunkt angelangt war. Man müsste nur das Haus der Kulturen der Welt aus dem Machtzentrum der Hauptstadt nach Dahlem transferieren, so der originelle Vorschlag Stephan von der Schulenburgs vom Frankfurter Museum für Angewandte Kunst. Diese geistige Beweglichkeit müssen die Dahlemer Sammlungshäuptlinge selbst beweisen.

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