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Kultur: Deutsche Nachwuchsregisseure zeigen ihre Werke. Auch die Talent-Scouts vom Fernsehen schauen zu

Golden glänzt die Moscheekuppel des Weckers. Der Muezzin setzt zum Weckruf an.

Golden glänzt die Moscheekuppel des Weckers. Der Muezzin setzt zum Weckruf an. Kameraschwenk. Ein Auge. Ein Frauenauge, das sich infolge der Gebetsrufe öffnet. "Lifeguard", steht auf dem T-Shirt der Brünetten (Lisa Adler), die ihren trägen Blick über ein Glas Wasser und blütenweiße Bettwäsche gleiten lässt. Zwei Paar Männerbeine, ineinander verkeilt, eines tätowiert, ragen aus der Schlafstätte. Wollen keinen Sinn ergeben. Und da ist sie wieder, die Erinnerung an den letzten Abend. Daran, wie sie Sekt aus ihren Pumps trinkt. Hier flirtet, da flirtet. Und trinkt. So lange trinkt, bis sie sich von zwei Schwulen mit nach Hause nehmen lässt. Nach dem ersten Tiefschlaf erwacht sie, pult sich die Kontaktlinsen aus den brennenden Augen. Schmeißt sie ins Wasserglas auf dem nahen Nachttisch. Beim Aufwachen ist der Durst zunächst stärker als die Erinnerung an die Nacht - und die Brünette kippt die teure Linse in ihren morgendlichen cotton mouth.

"Femme" heißt dieser schnell geschnittene Fünfminüter der Nachwuchsfilmer Carl Finkbeiner, Donald Kraemer und Mick Jahnke, der schon vor vier Jahren entstand. Jetzt hat die Münchnerin Tanja Krainhöfer, selbst Absolventin der Münchener Filmhochschule, dieses einzigartig retardierte Staccato der Bilder wieder ausgegraben und schickt auf Deutschlandreise, was sonst unwiederbringlich verschwunden wäre.

Nach wie vor gibt es für Filmhochschul-Abschlussarbeiten keine zentralen Videotheken oder Dokumentationsstellen. Seit März flimmern deshalb jeden zweiten Donnerstag im Monat Super-8 oder 35-mm-Filme wie "Femme" zusammen mit sieben weiteren Kurzfilmen über die Leinwand im Kurvenstar. "Wir kooperieren deutschlandweit mit allen Filmhochschulen", erklärt Krainhöfer, die aus der eingehenden Materialfülle Themenabende zusammenstellt. "Über das Web erreichen uns aber auch freie Produktionen." Je nach Herkunft liegen die Budgets der gezeigten Arbeiten zwischen Tausend und Hunderttausend Mark.

In München, wo die Aktion seit einem Jahr läuft, sei die allmonatliche Veranstaltung der Kurzfilminitiative "LostHighTapes" zu einem "jour fixe für Kurzfilmer" geworden, sagt Krainhöfer. Eingeladen sind zu den in München, Berlin, Köln und Hamburg periodisch stattfindenden, von Nachwuchsschauspielern moderierten Screenings neben den Filmern, Darstellern und Filminteressierten vor allem Talent-Scouts der großen Sender, Regisseure und Produzenten, die auf der Suche nach Mediennachwuchs sind. So mancher Kontakt habe sich auch auf den bisher drei Berliner Tourneeabenden ergeben, sagt Britta Öhding von MME Fiction, dem Berliner Veranstalter von "LostHighTapes". Öhding erzählt vom Interesse, das die Veranstaltung bei SAT 1 "Talents", der Talent-Scout Abteilung des Senders, im März geweckt habe. Die Sender streckten in den vergangenen Jahren ihre Fühler auch vermehrt in die Filmhochschulen aus und schufen damit Netzwerkangebote zwischen Kunstproduktion und Markt. Tina Ziegler von SAT 1 "Talents" sieht in "First Steps", dem senderinternen Forum für Filmschaffende, ein großes Austausch- und Entwicklungspotentzial und verweist auf den Preis, der von "First Steps" am 31. August mit einer Gala zum ersten Mal ausgelobt werde.

Rund dreihundert Zuschauer waren vor vier Wochen anwesend, als die Brünette ihre Linse trank. Als nächstes hat Frau Krainhöfer eine Auswahl neuer Filme unter dem Motto "Behind the Szenes" angekündigt.Nächste Vorstellung am 11.5. um 20 Uhr im Kurvenstar, Kleine Präsidentenstraße, Mitte

Mehr zum Thema im Internet unter

www.LostHighTapes.com

www.firststeps.de

Stefanie Grupp

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