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Pegah Ferydon als Mina

© Alpenrepublik

„Die defekte Katze“ im Kino: Heimat ist Arbeit

Liebesfilm zwischen den Kulturen: Susan Gordanshekans „Die defekte Katze“ erzählt unaufgeregt von einer arrangierten Ehe.

Mina ist Ingenieurin für Elektrotechnik, in ihrer Heimat Iran findet sie jedoch keinen Job. Außerdem ist sie recht groß. Letzteres sei nicht so wichtig, meint die Heiratsvermittlerin. Kian ist Anästhesist in einer deutschen Klinik und glaubt nicht an Liebe auf den ersten Blick. Was wichtig ist in einer Beziehung? Humor, Bildung, Kinder. Mina und Kian einigen sich bald: auf eine arrangierte Ehe. Vier Monate später wartet er mit einem Strauß Blumen am Flughafen auf sie.

Mina und Kian sind die Protagonisten in Susan Gordanshekans erstem Langspielfilm „Die defekte Katze“: zwei gebildete, vernünftige Erwachsene um Mitte dreißig, die nicht länger auf Partnersuche sein wollen. Sie halten ihre Erwartungen aneinander für moderat und werden sich darin noch sehr täuschen. Und auch die Katze des Filmtitels entspricht keineswegs ihren Erwartungen. Es ist ein riesiges, graues, struppiges Tier, jammert die Nächte durch und kann Kian nicht ausstehen, was durchaus auf Gegenseitigkeit beruht.

Zwischen Konvention und Rebellion

Diese von Mina in noch unzulänglichem Deutsch als defekt bezeichnete Katze ist mehr als ein lustiger Einfall in einem Beziehungsfilm, der prinzipielle kulturelle und emanzipatorische Fragen verhandelt. Da geht es eben nicht nur um die Scham beim Sex, sondern auch um die Beschaffenheit sozialer Räume. Während Mina (Pegah Ferydon) Absage um Absage auf ihre Bewerbungen erhält, hat Kian (Hadi Khanjanpour) Chancen auf eine Oberarztstelle. Dass Mina die Katze ohne Absprache angeschafft hat, markiert nur eine der sich häufenden Dissonanzen in dieser Ehe.

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Immer feiner arbeitet Susan Gordanshekan, die auch das Drehbuch zum Film schrieb, im Spannungsfeld zwischen Tradition und Ambition, Konvention und Rebellion signifikante Unterschiede zwischen ihren beiden Protagonisten heraus. Der introvertierte, ehrgeizige Kian ist in Deutschland aufgewachsen und entsprechend geprägt; sein dezenter Geschmack entspricht dem der oberen Mittelschicht. Vor den deutschen Freunden geniert er sich wegen der arrangierten Ehe. Sein Farsi klinge komisch, findet Mina. Sie hingegen liebt Farben, sie kauft sich als Erstes eine extravagant bestickte grünseidene Bomberjacke. Mina möchte sich ausprobieren, hat aber noch die Sitten ihrer Heimat verinnerlicht. Als sie zum ersten Mal eine deutsche Schwimmhalle betritt, glaubt sie sich von allen Männern angestarrt; einmal träumt sie von verschleierten Iranerinnen am Beckenrand, die sie missbilligend betrachten.

Bikini als Mutprobe

Dass Mina beim Schwimmen einen Bikini trägt, ist eine Mutprobe – und ein Schritt. Fremder Mann, fremdes Land, und alles ist doch ganz anders als erwartet. Susan Gordanshekan erzählt ihre „umgekehrte Liebesgeschichte“ auf mehreren Ebenen, privat und gesellschaftlich. Dabei ist Mina die Hauptfigur: Ihrem Blick auf Deutschland folgt der Film, ihrer Sicht auf den Alltag zwischen Supermarkt, Schwimmbad und Disco, auf deutsche Rollenmodelle und Regeln. „Es ist nicht so wie im Satellitenfernsehen“, sagt ein Freund von Mina über Deutschland.

Doch Gordanshekan kompromittiert in ihrer unaufgeregten Erzählung weder die traditionell gestiftete Ehe noch die mühsame Arbeit an der Integration. Als Tochter iranischer Eltern in Kassel geboren, ist die Regisseurin zwischen zwei Kulturen aufgewachsen. Im Westen beobachtete sie, dass traditionelle iranische Ehen ähnlich glücklich oder unglücklich verlaufen wie westliche Liebesehen. In „Die defekte Katze“ eskalieren die Konflikte, als Mina gegen ihren Willen fast von einem anderen Mann geküsst wird. „Wer bist du eigentlich?“, wird sie irgendwann gefragt im Film, in dem es auch darum geht, idealisierte Vorstellungen loszuwerden, um sich selbst zu erkennen.

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Anke Westphal

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