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Skulpturen von Stefan Rinck und Bilder von Philipp Grözinger.

© Gerhard Haug, Courtesy of Galerie Kornfeld

„Die Handtasche muss lebendig sein“: Philip Grözinger und Stefan Rinck laden ein ins Nonsense-Universum 

Meme-Kultur und skurrile Monster. Die Ausstellung in der Galerie 68projects erfordert einen genauen Blick. Was man womöglich nicht findet, ist der Sinn. 

Von Lisa Maria Scharf

„Das ist ja total sinnfrei“: Der Satz gehört zum Alltag, etwa angesichts von Beiträgen in den sozialen Medien. Meistens fängt eine Freundin an zu kichern, man fragt was los ist, und bekommt Wirrwarr gezeigt. Manch einer ist irritiert, andere lachen einfach mit. Ähnlich fallen auch die Reaktionen auf die Werke aus, die Philip Grözinger und Stefan Rinck in der Ausstellung „Die Handtasche muss lebendig sein“ präsentieren. 

Der Titel zitiert Bruce Darnell, den ehemaligen Juror der TV-Show „Germany’s Next Topmodel“. Bei einem Übungslauf wurde Teilnehmerin Fiona von ihm dazu aufgefordert, ihrer Handtasche mehr Leben einzuhauchen. Die Szene ist Teil der deutschen Meme-Kultur geworden, Grötzinger und Rinck nehmen sie als Beispiel dafür, wie in scheinbar unwichtigen Momenten Wesentliches zum Vorschein kommen kann. 

Formwandler in rosa Welten: Die Ausstellung „Die Handtasche muss lebendig sein“ bei 68projects.
Formwandler in rosa Welten: Die Ausstellung „Die Handtasche muss lebendig sein“ bei 68projects.

© Gerhard Haug, Courtesy of Galerie Kornfeld

In den Räumen der Galerie 68projects treffen die Werke der beiden Künstler erstmals aufeinander. Philip Grözinger, 1972 in Braunschweig geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Er lehrte an der Kunsthochschule Weißensee, ist bekannt für seine bunte Malerei mit dunklem Twist und erschafft alternative Wirklichkeiten, in denen er seine bizarren Figuren platziert. Zum Großteil mit einem Grinsen versehen, verleihen sie den Bildern Dynamik.

Werke wie „Cowboy“ und „Atlas“ spielen dabei mit Klischees und verweisen auf die Oberflächlichkeit der Gesellschaft. So konterkariert der Cowboy mit Tulpe und kunterbuntem Torero die gängige Vorstellung von Maskulinität, Atlas schultert in Badehose eine rosa Weltkugel, die es ihm unmöglich macht, den Blick vom Weltgeschehen abzuwenden. 

Die Arbeiten des Bildhauers Stefan Rinck könnten wiederum den Bildern Grözingers entsprungen sein. Rinck, Jahrgang 1973, studierte Kunstgeschichte und Philosophie in Saarbrücken sowie Bildhauerei an der Kunstakademie in Karlsruhe. Seine kleinen Monster runden das Image des etwas anderen Wunderlandes in der Ausstellung ab, trotz ihrer monolithischen Beschaffenheit erzeugen seine Skulpturen den Eindruck vertrauter Gestalten. Ob es sich nun um die dinosaurierähnliche Kreatur mit Kajak oder die pelzige Raupe mit Gebiss handelt, man hält sie für Freunde.

„Lonely Tunes“, das Herzstück der Ausstellung, ist eine Gemeinschaftsarbeit der beiden, eine Art visuelle Nonsense-Dichtung. Hier herrscht völliges Chaos: Ein Zentaur schießt auf einen Zwerg mit Party-Hut, der aus dem Hintern einer blauen Figur hervorkommt. Ein bissiger Pack-Man isst eine Wurst, der Vulkan hat einen Bart und dahinter steht teilnahmslos Baby-Darth-Vader.

Mit Bedacht macht das Bild jede Art von logischer Interpretation unmöglich, auch wenn sich popkulturelle Motive erkennen lassen: Der Betrachter kann das Durcheinander nur individuell interpretieren. Grözinger und Rinck nutzen die Sinnverweigerung als Stilmittel, aber ohne den totalen Zweifel des Dadaismus. Die Künstler spielen mit Traditionen, brechen mit dem Interpretationszwang der Kunst. Das „Warum?“ wird zum „Warum nicht?“. 

Auf den Hund sind die Künstler dann auch noch gekommen. Grözingers Bullterrier mit Glubschaugen ziert einen Pulli, den es für satte 1000 Euro zu erwerben gibt. Nonsense, oder nicht? 

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