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Kultur: Die Inszenierung von Ingo Metzmacher und Peter Konwitschny ist eine Oper über das Bedrohliche

Aus völligem Dunkel erklingen in der Hamburgischen Staatsoper die ersten Töne der "Freischütz"-Ouvertüre. Ein Effekt wie beim "mystischen Abgrund" des verdeckten Orchestergrabens im Bayreuther Festspielhaus, Gänsehaut inklusive.

Aus völligem Dunkel erklingen in der Hamburgischen Staatsoper die ersten Töne der "Freischütz"-Ouvertüre. Ein Effekt wie beim "mystischen Abgrund" des verdeckten Orchestergrabens im Bayreuther Festspielhaus, Gänsehaut inklusive. Doch der Regisseur Peter Konwitschny wird gründlich aufräumen mit den romantischen Anwandlungen seines Publikums.

Schon während der Ouvertüre fällt der Blick auf die Fahrstuhltür links neben der Bühne, deren Abwärtszeiger blinkt. Der erste Lacher des Abends. In der ersten Szene zeigt sich Konwitschny jedoch als genauer Beobachter der sozialen Verhältnisse. Der Jägerbursche Max steht außerhalb in einer streng hierarchisch gegliederten Gesellschaft, in der die privilegierten Jäger herrschen und die weitgehend rechtlosen Bauern nur Untergebene sind. Nur der Erbförster kann die Aggressionen bremsen. Wenn die Jäger inbrünstig Gott um Hilfe anflehen, so haben die Bauern nurmehr Spott für die anachronistische Versammlung übrig. Hier zeigt sich der Regisseur als Meister der Massenregie. Für Konwitschny ist Webers "Freischütz" eine Oper über das Bedrohliche. Max und Caspar sind untrennbar miteinander verkettet in ihrer Verzweiflung, beide versuchen mit allen Tricks, dass der Teufel bitte den anderen hole.

Die Intensität der Eingangsszene erreicht Konwitschnys Hamburger "Freischütz" jedoch nur noch in einer einzigen Szene, nämlich der Verwechslung von Agathes Brautkranz mit der Totenkrone. Sehr detailliert und genau beobachtet werden die vier Brautjungfern charakterisiert.

In dieser Szene erhellen die präzisen Hinzuerfindungen des Regisseurs den verborgenen Text der Oper. Schon in den vorhergehenden Szenen hatte Konwitschny die Figur des Samiel dramatisch aufgewertet. Immer wieder verändert der Teufel seine Gestalt, ist mal Schankwirt oder Zirkusdirektor, mal gefallener Engel.

Zu Ännchens Schauerballade vom Kettenhund Nero spielt Samiel (Jörg-Michael Koerbl) nun virtuos die Bratsche und ist der bedrohliche Freund Hein. Der stärkste Moment des Abends ist, wenn die Brautjungfern nervös versuchen, aus den Rosen des Eremiten einen Ersatz-Brautkranz zu winden, weil im Karton eine Totenkrone steckte. Ännchen behauptet wider besseres Wissen, die Rosen verschlängen sich wie von selbst, und entwickelt mit diesem verzweifelten Wunsch eine unmittelbar anrührende Intensität. Über weite Strecken beschränken sich Konwitschnys Hinzuerfindungen jedoch auf recht schale Witzchen. Einige Zuschauer ließen sich pflichtschuldigst provozieren vom Schäferhund, der einem Festpublikum ans Bein pinkelte, der Erkenntniswert dieser Szene blieb jedoch gering.

Doch selbst die stärkeren Momente der Inszenierung leiden unter dem Bühnenbild von Gabriele Koerbl. Ein düsterer Einheitsraum umgrenzt den ersten Teil des Abends. Außenraum des Schützenfestes, Innenraum des Försterhauses und wiederum Außenraum der Wolfsschlucht, alles spielt im selben Rahmen. Was ein spannendes Konzept sein könnte, scheint hier eher zufällig. Einige der großen, der schwierigen und deshalb mit Spannung erwarteten Szenen sind darüber hinaus von Konwitschny nachlässig inszeniert, so etwa die große Szene des Max.

Dass Poul Elming als Max für diese Arie keinen Applaus bekam, zeigt jedoch das größte Manko dieser Aufführung: Diesmal wird in Hamburg fast durchweg schlecht gesungen. Kaum eine Phrase kann Elming sauber gestalten, sein Ton bleibt rau und unelegant. Auch Charlotte Margiono muss als Agathe einige Passagen eher sportlich angehen, erreicht jedoch in den leiseren Tönen der Gebete eine beeindruckende Intensität. Einzig Sabine Ritterbuschs Ännchen vermag stimmlich und darstellerisch die Anforderungen an das Ensemble eines der führenden Opernhäuser zu erfüllen.

Auf diesem Niveau bewegten sich alleine Ingo Metzmacher und sein Orchester. Der Hamburger Generalmusikdirektor hatte sich eigens die Weberschen Autographe vorgenommen und genau die originale Phrasierung studiert. So klingt das Orchester um einiges spröder, schroffer und aufregender. Mit rhythmischer Präzision und durchaus zu extremen Tempi neigend bringt Metzmacher eine neue Dimension ein. Ein recht unromantischer Weber, dessen Generalpausen eine beträchtliche Spannung aufbauen können.

Wenn der Fürst verkündet, Max dürfe seine Agathe nicht heiraten, rauscht der Vorhang. Ende der Vorstellung. Doch es erhebt sich der Eremit aus dem Publikum. Er zwingt die Protagonisten zum operettenseligen Finale mit Sektglas an die Rampe. Statt Sympathie für das wiederum getrennte Paar Max und Agathe aufzubauen, will Konwitschny sich so um das Problem des moralisierenden Schlusses herummogeln. Indem er sich der Herausforderung des Finales entziehen will, hat er vor Webers Oper kapituliert.

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