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Kultur: Die junge Republik

„Sauber denken und klar handeln“: Zum 100. Geburtstag des Architekten Egon Eiermann

Das dogmatische Bauhaus? Kam für ihn nicht in Frage, denn er legte Wert auf eine solide Universitätsausbildung. Er studierte lieber beim liberaleren Hans Poelzig an der TU Charlottenburg. Als Architekt der Nachkriegsmoderne primus inter pares im Dreigestirn mit Sep Ruf und Paul Baumgarten, war Egon Eiermann, der am 29. September 1904 im Kreis Teltow geboren wurde, bedeutender noch und einflussreicher als der ältere Hans Scharoun. Was dazwischen lag, seine Tätigkeit während der NS-Zeit, hat schon vor 20 Jahren Anlass zu viel Streit gegeben, und ist manchen noch immer einen Anwurf wert. Jüngere Forschungsergebnisse zu diesem Aspekt charakterisieren den Architekten jedoch als einen von vielen Kollegen technischer Zünfte, die sich in „politikneutrale“ Arbeit flüchteten, und für den die strammen Parteigänger „einer anderen Welt“ zugehörten. Und je länger der Krieg dauerte, desto stärker war für ihn der Antrieb, durch seine kriegswichtige Tätigkeit dem eigentlichen Militärdienst entgehen zu können.

Immerhin ließ sich Eiermann von seiner architektonischen Überzeugung nichts abhandeln, wie viele heikle Genehmigungsverfahren und vor allem der längere Disput mit Albert Speer um das Berliner Degea-Gebäude im Wedding (heute Ausländerbehörde) zeigt, dessen Errichtung in modernen Formen letztlich nur als Provisorium genehmigt wurde – der Bau lag im Planungsgebiet der Nord-Süd-Achse und sollte später wieder abgerissen werden.

Zahlreiche Industriebauten und Behelfswohnungen, die er in jener Zeit im ganzen „Reich“ errichtete, sind Ausdruck rationalistischer Moderne. Von Beiträgen zur gesellschaftlichen oder politischen Repräsentationsarchitektur des NS-Staats hat er sich fern gehalten, und so war es ihm möglich, die stilistische Kontinuität zu wahren.

Nach dem Krieg gelang es dem mit einer ungemein optimistischen Grundeinstellung gesegneten Egon Eiermann sogleich durchzustarten. Schon Anfang 1947 erhielt er den Ruf an die Technische Universität Karlsruhe, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 1970 als charismatischer Lehrer wirkte, wo er seinen Studenten seine Vorstellung von Logik und Klarheit der Baukunst vermittelte, sein Credo „Sauber denken und klar handeln“ und seine Suche nach der allgemeingültigen Lösung. Er bildete den Antipoden zu Hans Scharoun, der das Individuelle und Wesenhafte jeder Bauaufgabe herauszustellen suchte.

Für Eiermann waren die Zeiten damals besonders günstig, versuchte doch die Architektenschaft, die düsteren Vorstellungen des Palast- und Bunkerbaus für tausend Jahre abzuschütteln. Seine ephemere Architektur, vorzugsweise als leichte Stahlkonstruktionen, mit mehrschichtigen, transparenten Fassaden ausgeführt und niemals für die Ewigkeit gedacht, eignete sich für die Darstellung des neuen Lebensgefühls. Und Eiermann prägte damit das Bild der jungen Bundesrepublik im Ausland, durch den schwebend leichten deutschen Pavillon auf der Weltausstellung 1958 in Brüssel, durch den Neubau der deutschen Botschaft 1958-64 in Washington und das Abgeordnetenhochhaus in Bonn (den „Langen Eugen“) und natürlich durch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (1963), das Wahrzeichen West-Berlins.

Nebenbei verstand sich Egon Eiermann als Gestalter eines ganzheitlichen Lebensentwurfes. Denn meist hat er zur Einrichtung seiner Bauten beigetragen, hat Möbel, Stellwände, Leuchten, Sessel und Stühle entworfen, die seine Häuser zu Gesamtkunstwerken machten. Bis heute wird der hölzerne Klappstuhl SE 18 produziert, auf dem Generationen von Studenten, Lehrern, Schülern und Gemeindemitgliedern Veranstaltungen beiwohnten.

Die Ausstattungsstücke zeigen seine Hinwendung zum Nutzer, zum Menschen, dem er – unter seinesgleichen durchaus nicht selbstverständlich – Bedürfnisse nach Geborgenheit, Gefühl und Atmosphäre zubilligt. Deshalb auch fanden Farben in seine Arbeit Eingang. Obgleich er für seine Bauten immer nur Schwarzweiß-Fotos wünschte, ließ er warme Materialien, Hölzer und Naturstein, ihre Wirkung entfalten. Deshalb auch begleitete er den Menschen bis in den Tod, entwickelte er in den Dreißigerjahren das Corporate Design für das Bestattungsunternehmen Grieneisen in Berlin und entwarf dutzendweise Särge. Schlichte natürlich, die der gängigen neobarocken Sepulkralkultur zuwider liefen.

Die Städtische Galerie Karlsruhe widmet Egon Eiermann eine Ausstellung (www.egon-eiermann.de). Ab 29. 1. 2005 ist sie m Bauhaus-Archiv Berlin zu sehen.

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