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Entspannung ist wichtig - nicht nur zu Weihnachten. Spaziergänger genießen die besinnliche Stimmung am Zürichsee.

© Walter Bieri/KEYSTONE/dpa

Kolumne Feste feiern (2): Die Kunst, Feierabend zu machen

So viel Feiertage in so kurzer Zeit gibt’s nur einmal im Jahr, nämlich jetzt. Ein guter Anlass, das Feiern selbst abzufeiern, im Allgemeinen wie im Besonderen.

Wenn der Kollege von der Pforte einen schönen Feierabend wünscht, bleibt ein leicht beklommenes Gefühl zurück. Weil man heute wieder nicht geschafft hat, was längst hätte erledigt sein sollen. Weil man sich auf dem Weg zum beruflichen Abendtermin befindet, nach dem Bürotag. Weil die Chefin noch oben vor ihrem Bildschirm hockt. Und im Grunde genommen, weil diese ganze Abschiedsformel an eine Zeit erinnert, als Oma ihren wunderbar üppigen Butterkuchen gebacken hat. Feierabend, das war 1977 ein Schlager von Peter Alexander. Der legitime Nachfolger der kleinen Kneipe in unserer Straße – naiv, empathisch und mit stets leicht feuchten Augen zu singen. „Große, Kleine, Arme, Reiche / Alle fühlen jetzt das Gleiche / Und sie freun sich auf das kleine Glück“, frohlockt Alexander. Mit dem Refrain schwingt sich der Trostspender der fleißigen Nachkriegsdeutschen auf in schwindelerregende Höhen: „Alle haben jetzt frei, frei, frei!“

Feierabend, dieses Wort erinnert heute an geschlossene Eckkneipen, bedrohte Kleingartensiedlungen, Altenheime ohne Publikumsverkehr. Von Freiheit keine Spur. Wohin aber ist er verschwunden, der ersehnte Augenblick, wenn alle Sorgen des Tages vergessen sind? Die Gewissheit, um 17 Uhr ein Tagwerk vollbracht zu haben? Ursprünglich beschrieb der Feierabend den Vorabend eines Feiertags. Man legte seine Arbeit mit der raren Aussicht darauf beiseite, den nächsten Tag wirklich frei zu haben. Handwerker weiteten den Begriff im Laufe des Mittelalters dann auf das tägliche Arbeitspensum aus. Es soll in der Neuzeit hier und da gelungen sein, den Feierabend gen Mittag zu verschieben. Aktuell jedoch wird vor allem sein Verlust beklagt und zu seiner Rettung vor unkonventionellen Methoden nicht zurückgeschreckt. Alle Mails nach 19 Uhr sollten automatisch gelöscht werden, forderte etwa der Betriebsrat von Porsche.

40 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland beklagen, abends nicht abschalten zu können von der Arbeit des Tages. In der Folge bleibt die benötigte Regeneration aus, sodass die anschließende Orientierungsphase, die neue Herausforderungen strukturieren hilft, nicht erreicht werden kann. Alles gerät ins Wanken, der Überblick ist verloren – und es wird erneut keinen Feierabend geben. Arbeitspsychologen raten, Pausen zu machen, bevor man wirklich ermüdet. Nur wer diese Kunst beherrsche, könne vor Burn-out halbwegs sicher sein. Wir brauchen eine neue Kultur der Abendfeier. Ohne sie bekommen wir gar nicht mehr mit, dass auch unser Dienst einmal endet, für heute.

Bisher erschienen: der Feiertag (24. 12.)

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