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Kultur: Die Ottonen bei den Ostslawen

Deutschlandjahr in Russland eröffnet.

Albrecht Dürers „Selbstbild im Pelzrock“, ein Meisterwerk der deutschen Frührenaissance, in 1023 Schnipsel zerlegt? Eine Horrorvision, wie sie Kunstliebhaber nicht einmal in ihren schlimmsten Albträumen heimsucht. Doch niemand regt sich auf, als sie auf de Manege-Platz Wirklichkeit wird. Hunderte Moskauer haben einen Riesenspaß daran, eine Reproduktion des Gemäldes als Puzzle neu zusammenzusetzen: 1023 Einzelstücke auf einer Fläche von rund 300 Quadratmetern.

Die letzten Teile fügten Vertreter der deutschen und der russischen Regierung ein. Für die Bundesrepublik war Cornelia Pieper angereist, Staatsministerin für Kultur im Auswärtigen Amt. Bundespräsident Joachim Gauck war nicht in Moskau, offiziell wurden Terminprobleme angegeben. Möglichweise wollte Gauck ein Treffen mit Russlands Präsident und Ex-KGB-Chef Wladimir Putin vermeiden. Im Moskauer Historischen Museum wurde indessen die Ausstellung „Russen und Deutsche. 1000 Jahre Geschichte und Kultur“ eröffnet. Es war der Auftakt zum Deutschlandjahr in der Russischen Föderation. Zur gleichen Zeit findet in Deutschland das Russlandjahr statt.

Nie, so Vizekulturminister Pawel Woroschilow, habe Russland bei der kulturellen Zusammenarbeit mit anderen Staaten ein derart ambitioniertes Projekt realisiert. Geplant sind über 1000 Veranstaltungen. Nicht nur in Metropolen wie Moskau und St. Petersburg, sondern auch in 50 der insgesamt 83 russischen Regionen, auch im Fernen Osten: in Magadan oder in Wladiwostok, wo es vor der Oktoberrevolution 1917 eine starke deutsche Kolonie gab.

Zwar fand das erste Deutschlandjahr in Russland schon 2003/2004 statt. Und parallel dazu ein Russlandjahr in Deutschland. Doch damals ging es nur um Kultur. Das neue Projekt dagegen, so Deutschlands Botschafter in Moskau, Ulrich Brandenburg, habe auch eine wirtschaftliche und eine zivilgesellschaftliche Dimension. Dem trägt bereits das Motto Rechnung: „Deutschland und Russland – gemeinsam die Zukunft gestalten“.

Damit soll das Interesse am anderen Land geweckt werden, bei breiten Schichten der Bevölkerung. Wissen voneinander, sagte Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sei die Grundlage für Respekt. Die gemeinsame Gestaltung der Zukunft sei nur möglich bei gemeinsamer Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit, aus der auch gemeinsam Lehren gezogen würden.

Parzinger fungiert für die deutsche Seite als Kurator der historischen Ausstellung. Konzipiert vom Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin und dem Staatlichen Historischen Museum Moskau, umfasst sie über 700 Exponate, von denen mehr als die Hälfte bisher noch nie gezeigt wurden. Die ältesten stammen aus dem 10. Jahrhundert, als die Kiewer Rus – die früheste Staatsgründung der gerade zum Christentum übergetretenen Ostslawen – und die Ottonen-Kaiser in Deutschland erstmals Gesandtschaften austauschten. Insgesamt 75 Museen und Archive haben dazu ihre Schreine und Magazine geöffnet. Nicht nur in Deutschland und Russland. Auch in Österreich, Italien, Lettland und der Schweiz. Ab Anfang Oktober ist die Ausstellung im Obergeschoss des Neuen Museums auf der Berliner Museumsinsel zu sehen.Elke Windisch

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