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Kultur: Die Perser kommen!

Digitales Altertum: Die Schlacht bei den Thermopylen funktioniert als Parade der Klischees

Eine kleine griechische Armee warf sich 480 v. Chr. in der Schlacht bei den Thermopylen dem Riesenheer Persiens entgegen – ein aussichtsloses, aber kriegsentscheidendes Hinhaltegemetzel. Frank Miller, der große Comic-Autor, verwandelte diesen Stoff 1998 in seiner Mini-Serie „300“ in ein finsteres Epos über König Leonidas, der seine Männer für die Unabhängigkeit Spartas in den Tod führt.

Die Filmadaption von Millers „Sin City“ (2005) mit ihren hoch konzentrierten, künstlichen Bildern erregte Aufsehen. Zack Snyder („Dawn of the Dead“) benutzte nun für „300“ ebenfalls das digital-backlot-Verfahren: Nur die Darsteller werden mit der Kamera aufgenommen, alles andere ist am Rechner erfunden. Snyders so erschaffener Hyperrealismus beeindruckt auf den ersten Blick durchaus. Revolutionär kann man diese Ästhetik mit ihren manipulierten Farben und erhöhten Kontrasten allerdings nur finden, wenn man in den letzten zehn Jahren für Werbung, Computerspiele und Musikfernsehen blind war.

Die Adaption eines Comics ist keineswegs einfacher als die eines Romans, nur weil die Bilder schon da sind. Film und Comic sind und bleiben Gattungen mit ganz eigenen Gesetzen: Was im Kino die Filmzeit ist, ist im Comic der Raum auf der Seite – und so ist im Comic der Platz zwischen den Bildern, das gutter (Regenrinne), genauso wichtig wie das Bild selbst. Das Geheimnis der Comic-Kunst liegt in der Instrumentalisierung dieses Nichts zwischen den Bildern: Vieles kann der Autor da hineinlegen, der Leser muss es erschließen. „Sin City“ schrieb seine Vorlage noch kongenial fort: Er warf die Einzelbilder auf die Leinwand und brachte sie zum Vibrieren – ohne den Zeit-Raum zwischen ihnen wesentlich zu füllen.

Und was macht Snyder? Er nimmt die Bilder des Comics und füllt die Zwischenräume einfach mit Sequenzen, die von einem Bild zum nächsten führen. Weil aber die Vorstellungskraft nicht mehr an der Vervollständigung beteiligt ist, wirkt die Bildfolge nun ganz anders. Das Pathos, die Stereotypen, die Übertreibungen – im Comic forcieren sie die Emblematik des Einzelbildes. In Snyders Film aber verbinden sie sich zu einer unerbittlichen Parade brüllenden Machismos, homo- und xenophober Klischees – von der hämmernden Fascho-Attitüde der Elite-Einheit bis zur Missgestalt des Feindes, der schwarz und schwach ist, gierig und geil, dumm und schwul. Schlimm ist das nicht. Aber öde.

Statt Frank Millers Buch bloß abzupausen und aufzufüllen, hätten die Filmemacher die grimmige Dynamik seiner doppelseitigen Bilder sprengen müssen. In manchen Schlachtsequenzen ist das andeutungsweise zu erleben – und dann blitzt für einen Augenblick auf, was aus „300“ hätte werden können: eine wild animierte Explosionszeichnung kollidierender Schlachtkörper. Stattdessen ist dieser Film unsäglich bieder geworden. Blut, Lärm und Leichenberge allein machen noch kein krasses Kino.

In den Vereinigten Staaten, wo „300“ viele Verrisse einsammelte, entbrannte in Blogs und Online-Foren der Streit über die Arroganz der Kritiker angesichts eines Filmes, der den erfolgreichsten März-Start aller Zeiten hinlegte. Abgesehen davon, dass der Film in seiner zweiten Woche um ebenfalls rekordverdächtige 56 Prozent einbrach, ist er gewiss nicht das Werk, an dem sich diese Debatte entzünden muss. „300“ erzählt nichts und hat nichts zu sagen, er ist weder schön noch erbaulich, weder einleuchtend noch erschreckend, er reizt weder zum Lachen noch zum Weinen. Der Zuschauer soll bloß die Augen aufreißen und „Aaah!“ und „Oooh!“ sagen. Insofern erinnert „300“ nur an das, was das Kino in seinen Anfängen war: eine Jahrmarktsattraktion. Und doch sind sein dröhnendes Farbspiel, die platzenden Körper nichts als Glitter und Konfetti in einem Bilderstürmchen von geradezu bemerkenswerter Einfalt.

In 25 Berliner Kinos; OV im Cinestar Sony-Center, OmU im Babylon Kreuzberg, FT Friedrichshain und International

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