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Kultur: Die Utopie eines Stahlrohrbogens

Supermarkt oder Design – was wird aus der Marke Bauhaus? Heute verlässt Direktor Peter Hahn das Berliner Bauhaus-Archiv

Das Bauhaus: Keine andere in die Kulturpolitik und künstlerische Praxis des 20. Jahrhunderts verwobene Institution ist so zum Mythos geworden. Neben der Reputation seiner Lehrkräfte trug die kurze Existenz der 1919 in Weimar gegründeten und 1933 in Berlin durch die Nazis geschlossenen Kunstschule zu ihrer Verklärung bei. Der Gründer und erste Direktor Walter Gropius war zudem ein PR-Genie in eigener Sache.

Auch die 1960 erfolgte Gründung des Darmstädter Bauhaus-Archivs als Forschungs- und Sammlungsstätte des Bauhaus-Erbes war Teil seiner Strategie. Gründungsdirektor Hans Maria Wingler war ein enger Freund von Gropius – der mit dem 1979 bezogenen Archiv-Bau am Berliner Landwehrkanal einen letzten Gruß hinterließ. Noch heute wird die Institution durch einen Verein getragen und zu 40 Prozent auch finanziert. Winglers Nachfolger Peter Hahn kam 1971 als wissenschaftlicher Mitarbeiter ans Haus, seit 1984 ist er der Direktor. Mit einem Festakt, der auch die Finissage der Ausstellung „Bauhaus-Möbel“ ist, wird er heute in den Ruhestand verabschiedet.

Hahns Annäherung an sein Generalthema war alles andere als geradlinig verlaufen. 1938 in Berlin geboren, studierte er in Tübingen, München und Berlin Philosophie und Germanistik, das Dissertationsthema hätte 1968 nicht aktueller gewählt sein können: „Kunst zwischen Ideologie und Utopie“. Pragmatischer Natur hingegen war Hahns Einstieg bei Wingler, er organisierte 1971 den Umzug aus dem Darmstädter Provisorium nach Berlin, in die Charlottenburger Schlossstraße1. „Dass daraus eine lebenslängliche Beschäftigung mit dem Bauhaus werden würde, hat niemand geahnt, ich am allerwenigsten,“ sagt er heute.

Auch Hahns Berliner Vorgänger hatte das Bauhaus-Archiv als Lebensaufgabe betrachtet. Kurz vor seinem Tod empfahl Wingler drei Nachfolger-Kandidaten: Winfried Nerdinger, Wulf Herzogenrath, Peter Hahn. Im November 1984 entschied sich der Vorstand des Trägervereins für Herzogenrath. Als die Vollversammlung auf Anregung von Max Bill jedoch Hahn zum Direktor wählte, kam es zum Eklat. Der machtbewusste Vereinsvorsitzende Philip Rosenthal – als Eigentümer der Porzellanfabrik in Selb ebenfalls Hausherr eines Gropius-Spätwerks – trat unter Protest zurück. Unter diesen Bedingungen war Hahn erst recht zum Erfolg verdammt. Er überzeugte durch Ausstellungen, Ausstellungen, Ausstellungen. Es gelang ihm, das Bauhaus-Bild der Gründerväter um kritische Facetten zu bereichern. Aus der Winglerschen Scholastik fand er zu einem Weg der Aufklärung. Seine ÜberblicksReihe zu den Bauhaus-Werkstätten machte klar, dass in Weimar, Dessau, Berlin nicht nur Stahlrohr gebogen und mit Primärfarben experimentiert worden ist. En passant wurde manches kulturhistorisch interessante Stück erkannt, erworben, wissenschaftlich bearbeitet, das kaum einer auf dem Flohmarkt als „Bauhaus“ identifiziert hätte.

Rezeptionsgeschichte fand nun auch im politischen Rahmen statt. Ab Mitte der 80er Jahre stand das Fortwirken des Bauhauses zwischen 1933 und 1945 auf Hahns Agenda – nicht immer zum Vergnügen noch lebender Akteure. Die Dokumentation „Bauhaus Berlin“ (1985) widmet sich der Auflösung des Staatlichen Bauhauses Dessau 1932, dem Versuch des letzten Direktors Mies van der Rohe, die Lehranstalt als Privatinstitut in Berlin zu betreiben und den Pfaden der nicht exilierten Bauhäusler während der Nazizeit; es ist bis heute das Standardwerk geblieben.

1988 präsentierte sich das Archiv in Dessau: „Experiment Bauhaus" war die erste Schau im Rahmen des deutsch-deutschen Kulturaustauschs, bestritten von einem West-Berliner Institut. Darauf ist der vornehm zurückhaltende Direktor noch immer „ein bisschen stolz“. Damals begann die bis heute gepflegte Kooperation mit Dessau und Weimar. Das Wissen um den spezifischen Charakter der Bauhausstätten weckte selbst in der Fusionseuphorie von 1990 nie die Lust zur Übernahme der Dessauer Einrichtung (das Bauhaus-Museum Weimar gehört ohnehin zu den dortigen Kunstsammlungen). Hahn winkte ab: Als Museum sei das Bauhausgebäude völlig ungeeignet.

Dass Hahn den Konflikt nicht scheut, wenn es um ureigenste Interessen „seines“ Hauses geht, bewies der Streit um das Label „bauhausdessau“. Unter der Überschrift „Das Bauhaus als Supermarkt?“ schickte er vor zwei Jahren einen wütenden Brief an alle Redaktionen im Lande, in dem vor „Plagiaten und Fälschungen“ des Bauhaus-Erbes gewarnt wurde. Was war geschehen? In Dessau hatte sich eine Interessengemeinschaft aus Bauhau-Stiftung, Kommune und Designzentrum Sachsen-Anhalt zusammengefunden, um Repliken und modernes Design unter dem Traditionsnamen zu vermarkten. Nicht nur symbolisch stritt man um einen Hocker von Marcel Breuer, dessen Produktionsrechte von der Bauhaus-Archiv GmbH, dem wirtschaftlich handelnden Ableger des Berliner Vereins, bereits vergeben worden waren. Die Firma Tecta gewann den Prozess - und Hahn hatte die Integrität der eigenen Marke „original bauhaus design“ verteidigt.

Doch „Mr. Bauhaus“ („Der Spiegel“) hinterlässt seiner Nachfolgerin Annemarie Jaeggi ein nicht nur ökonomisch geordnetes Feld. Der dringend benötigte Erweiterungsbau – geplant als public-private partnership – hat zumindest die Hürde der Senatsvorlage geschafft. Es bleibt spannend im vielleicht feinsten der Berliner Spezialmuseen. Peter Hahn wird sich auch nach der Pensionierung weiter seiner Liebe zur Kunst widmen. Mit dem Bauhaus, schmunzelt er, habe dieses Hobby freilich vorerst nichts zu tun.

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