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Nehme jede Arbeit an. Adriaen van Ostades "Maler in seiner Werkstatt" lebt in einer Welt scheinbar abseits des Kunstmarkts. Gemälde von 1663.

© bpk/Staatliche Kunstsammlungen Dresden/Hans-Peter Klut

Ausstellung über die Anfänge des Kunstmarkts: Die Vermalung des Himmels

Wie der Kunstmarkt begann: Eine Ausstellung im Hamburger Bucerius Kunst Forum beleuchtet die Strategien von Malern wie Rembrandt, Ruisdael oder van Goyen.

„Jede Gesellschaft hat die Kunst, die sie verdient,“ hebt Franz Wilhelm Kaiser noch nüchtern zur Betrachtung der Situation auf dem Kunstmarkt an, um sich dann fast in Rage zu reden: „Wir haben diese absurd hohen Preise.“ Ab zehn Millionen Euro für ein Werk ginge es nicht länger um die Kunst, davon ist der neue Direktor des Bucerius Kunst Forums in Hamburg überzeugt. Ab dieser Summe bestimme Fetischismus das Käuferverhalten und es handele sich um Potenzgehabe.

Der für das 20. Jahrhundert ausgewiesene Kunsthistoriker, der vor seiner Berufung vergangenes Jahr über ein Vierteljahrhundert Ausstellungsdirektor des renommierten Gemeentemuseum Den Haag war, redet sich um Kopf und Kragen, fürchtet man schon. Doch Kaiser gibt nur ein Präludium seiner ersten eigenen Ausstellung am neuen Haus, die sich der „Geburt des Kunstmarktes: Rembrandt, Ruisdael, van Goyen und die Künstler des Goldenen Zeitalters“ widmet. Mit den alten Meistern wagt er sich als Kurator auf neues Terrain, in der Sache aber ist er sicher. Die absurden Preise, gierigen Händler, überschätzten Künstler – all das gab es schon vor 350 Jahren, als in den Niederlanden die Kommerzialisierung der Kunst ihren Anfang nahm: seit ein gebildetes, selbstbewusstes Bürgertum die Malerei als Mittel zur Distinktion für sich entdeckte.

Doch Kaiser ist weit von jeder Polemik entfernt. Vielmehr will er dem Publikum ein „Heureka“-Erlebnis bescheren, wie er betont. Seine Ausstellung bleibt denn sachlich-fachlich, die Verbindung zur Gegenwart und ihren Preisausschlägen hinauf in irrwitzige Höhen besteht nur unterschwellig. Ab der Gründung der Niederlande, bestehend aus den sieben nördlichen Provinzen, arbeiteten die Künstler erstmals für eine anonyme Käuferschaft, nicht mehr unmittelbar für einen Auftraggeber, sondern für das Depot eines Händlers.

Um in der Konkurrenz gegen die zahlreichen Mitbewerber zu bestehen, mussten sie sich als Marke etablieren. Von 1590 an wuchs die Zahl der Maler innerhalb von dreißig Jahren von 150 auf 350. Wollten sie erfolgreich sein, mussten sie sich voneinander unterscheiden – in Stil, Methode und Thematik. Je schneller sie waren, desto besser war es fürs Geschäft, denn so ließ sich innerhalb kürzerer Zeit mehr produzieren, konnten die Preise niedrig gehalten werden.

Die neuen Bürger wollten Bilder mit weitem Blick auf ihr Land

Aus diesem Denken, so eine These der Hamburger Ausstellung, entstand die Ton-in-Ton-Malerei, bei der die einzelnen Zonen des Bildraums nicht mehr minutiös hintereinander gestaffelt werden, sondern Tiefe durch monochrome Vermalung des Himmels entsteht. Der Marinemaler Jan Porcellis soll diese Methode erfunden haben. Im einem Wettstreit, von dem Samuel van Hoogstraten in seiner berühmten „Einführung in die Hohe Schule der Malkunst“ von 1678 berichtet, schlägt er prompt den heute viel bekannteren Jan van Goyen aus dem Feld.

Sein „Blick über den Rhein bei Arnheim“ von 1645 zeigt, was die neuen Bürger von einem Bild verlangten: Sie wollten den weiten Blick auf ihr Land. Die zuvor dominierenden Szenen wurden wie das Figurenprogramm zur Nebensache. Nur ganz klein, vorne rechts legt auf Goyens Bild eine Fähre an. Himmel und Wolken bleiben dennoch die Hauptdarsteller. Die Landschaft wird zu einer eigenen Gattung.

„Weltaneignung“ ist für Kaiser das Stichwort für diese Form der Selbstvergewisserung via Kunst, darüber hat er an der Universität Leiden promoviert. Nicht das Erhabene, sondern das Erdverbundene wünschte die neue Kundschaft zu sehen. Genreszenen werden zum Verkaufsschlager. Wirtshausszenen, raufende Bauern, schmuddelige Kinder erfreuen sich größter Beliebtheit. Waren sie anfänglich noch vulgär, ja ordinär und summarisch gemalt wie bei Adriaen von Ostade, so verfeinert sich die Gattung mit Jan Steen in den sechziger Jahren immer mehr. Gesoffen, derb angebandelt wird weiterhin.

Aus Rembrandts Werkstatt. Portät von Willem Burchgraeff, 1633 (Ausschnitt).
Aus Rembrandts Werkstatt. Portät von Willem Burchgraeff, 1633 (Ausschnitt).

© bpk, Staatliche Kunstsammlungen Dresen/ Hans-Peter Klut

Die Hamburger Ausstellung ist prachtvoll, mit schönsten Leihgaben aus Dresden, Leipzig, Wien, London, Berlin. Dazu liefert sie eine stringente inhaltliche Auseinandersetzung, einen forcierten Erkenntnisgewinn. Das ist es denn auch, was man ihr zum Vorwurf machen könnte: dass die Kunst als Beleg für die These herhält und durch teilweise extrem dichte Hängung nachgewiesen werden soll, wie stereotyp so mancher Bildereinfall war.

Das kann sogar komisch wirken wie bei den Jagdstillleben von Jan Weenix, bei dem der immer gleiche Hase dekorativ hingestreckt liegt: die vorderen Pfoten gekreuzt, die hinteren auseinandergebogen, um das helle Bauchfell zu zeigen. Mal fließt mehr, mal weniger Blut aus dem Maul des toten Tiers. Jagdstillleben wurden ebenfalls zum Hit beim wohlhabenden Bürgertum. War doch die Jagd bislang dem Adel vorbehalten, das Bild an der Wand galt ihnen als Ersatz für die Trophäe.

Das Berufsbild des Galeristen etablierte sich gerade erst

Serialität – „there rings a bell“, sagt Direktor Kaiser, das wiederkehrende Motiv ist auch ein Topos der Moderne. Trotzdem sind Philips Wouwermanns Landschaften mit Pferden oder Paulus Potters Kühe mit den Heuhaufen von Monet oder Cézannes Studien des Mont Saint Victoire nicht zu vergleichen. Die Erforschung künstlerischer Mittel, später das eigentliche Motiv, nimmt in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts mit dieser Form der Arbeitsteilung jedoch ihren Anfang. Zu den spannendsten Kapiteln der sehenswerten Schau zählen die Untersuchungen zu Hendrick Uylenburgh und Johannes de Renialme, zwei Kunsthändlern.

Aus Rembrandts Skizzen. Ausschnitt aus den "Sechs Kopfstudien" von 1636.
Aus Rembrandts Skizzen. Ausschnitt aus den "Sechs Kopfstudien" von 1636.

© bpk, Hamburger Kunsthalle, C. Irrgang

Hatte Uylenburgh, dessen Werkstattleiter Rembrandt vier Jahre lang war und dessen Nichte Saskia er später heiratete, noch selbst Malerei gelernt, so kam de Renialme von der Börse. Das Berufsbild des Galeristen etablierte sich gerade erst. Anfänglich sorgte der Künstler noch selbst für den Vertrieb, Produktion und Distribution geschahen in Personalunion. Erst mit der wachsenden Nachfrage begann die Spezialisierung.

Rembrandt ließ sich als einer der Ersten für seinen guten Namen bezahlen

Welche Wege die Vermarktung damals nehmen konnte, mag heute amüsieren. So wurden die Gemälde auf Jahrmärkten feilgeboten, tauchten sie in Lotterien auf. Zugleich etabliert sich eine Form der Preisgestaltung, die bis heute gilt. Rembrandt legte als einer der Ersten darauf Wert, dass die Arbeitszeit allein für ein Werk nicht entscheidend ist. Der Käufer seiner Bilder sollte zahlen – für den Namen und die Klasse. Dass seine Kunst irgendwann einmal nicht mehr erschwinglich sein würde, dürfte er nicht geahnt haben.

Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, Hamburg; bis 7. Januar 2018., Öffnungszeiten: Fr–Mi 11–19 Uhr, Do 11–21 Uhr. Der Katalog kostet 29 Euro

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