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Kultur: Diese Augen!

Claudia Llosas Debütfilm „Madeinusa“

Madeinusa. Ein schöner Name. So mythisch, märchenhaft, ursprünglich und geheimnisvoll. Madeinusa, das Mädchen aus den Anden, trägt ihn gerne; erst recht, als sie den fremden jungen Mann küsst, der sich ins Dorf verirrte, und dabei entdeckt: Er trägt ihren Namen schon auf seinem Hemd! Da steht es: Made in USA.

Madeinusa hat einen Vater, der sie bald entjungfern wird, und eine kleine Schwester, die ihr Böses wünscht. Die Mutter ist vor Jahren nach Lima geflohen und Madeinusa will ihr folgen. Doch die Vorbereitungen für das Fest des Jahres, die „tiempo santo“, sind bereits in vollem Gange. Nichts für Gringos, sagt Cayo, Bürgermeister und Vater Madeinusas, und sperrt den Ahnungslosen erst mal weg. Die „Heilige Zeit“, das sind die drei Tage voller Orgien, Alkoholmissbrauch, Frauentausch und Inzest. Denn es ist doch so: Von seiner Sterbestunde am Karfreitag bis zu seiner Auferstehung am Ostersonntag hat Jesus die Augen geschlossen. Also kann er auch nichts sehen.

Claudia Llosa, Nichte des peruanischen Schriftstellers Mario Vargas Llosa, ist vor der großartigen Kulisse der Andenlandschaft ein erstaunlicher und ungewöhnlicher Debütfilm gelungen: eine farbenprächtige, ironische Fabel über die Bruchstellen zwischen Moderne und Archaik, Neigung und Pflicht, heidnischen Bräuchen und christlichem Glauben – vor allem aber: zwischen Indios und Mestizen. Die Mestizen – Südamerikaner mit europäischen und indigenen Elternteilen – fühlen sich manchmal in ihrem Land fremd und fehl am Platze.

Das Schöne an „Madeinusa“ ist, dass er diese Kluft weder korrekt noch sentimental zur Darstellung bringt, sondern unkonventionell, witzig und böse. Magaly Solier, die Titelheldin, wurde von Claudia Llosa entdeckt, als sie gerade vor einer Kirche Essen verkaufte. Ihr unangestrengtes Spiel und ihre ausdrucksstarken Augen verleihen dem Film fast dokumentarische Glaubhaftigkeit – und verführen den Zuschauer.

Claudia Llosa lockt uns anfangs geschickt auf eine falsche Fährte: Das vermeintliche Ethno-Märchen verwandelt sich bald in die überraschende Geschichte einer jungen Frau, die zu ihrer Selbstbefreiung nicht nur zu lauteren Mitteln greift - bis zum herrlichen Schluss, der all jenen Zuschauern eine lange Nase macht, die dachten, Madeinusa sei nichts als ein naives Dorfmädchen. Was wäre das auch für eine „tiempo santo“, ohne ein unschuldiges Opfer?

In Berlin im Blow Up und Central

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