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Jeans. Erika Rabau ist am Prager Platz in Wilmersdorf zu Hause.

© George Moritz

Doku über Berlinale-Fotografin Erika Rabau: Wie Radau, bloß mit "b"

Seit 50 Jahren ist Erika Rabau das Maskottchen der Berlinale. Jetzt feiert die Kinodoku „Erika, mein Superstar“ die Promifotografin.

Der Anruf kommt kurz nach zwei. Das ist die Nachmittagsstunde, in der bei dem Nachtmenschen Erika Rabau die reguläre Geschäftszeit beginnt. „Gunda? Hier ist die Erika“, kräht es aus der Leitung. Aha, sie ist schon beim Du. „Natürlich bleibt’s bei der Verabredung. Wolltest dich noch mal vergewissern, was? Ciao-ciao, bis nachher.“ Klack, ist sie schon wieder weg. So kommt’s, wenn man bei lebenden Legenden in der kleinkarierten Annahme auf den Anrufbeantworter spricht, dass sie für längst getroffene Verabredungen eine Erinnerung bräuchten. Prompt riechen sie den Braten.

Drei Stunden später empfängt die Erika bei ihrem Stamm-Kroaten, dem Restaurant Dalmacija am Prager Platz. „Mein vergrößertes Wohnzimmer.“ Französische Begrüßung, Küsschen rechts, Küsschen links. Die dienstälteste offizielle Fotografin der Berliner Filmfestspiele ist ein überaus polyglottes Geschöpf. Die Wangen sind kühl, die Hand ist warm, der Druck zart wie ein Flügelschlag. Wenn sie nachdenkt, flötet sie „Hu“, sie kichert verschmitzt, das Lachen ist glockenhell. Der große Friedrich Hollaender hat genau hingeschaut, als er die zierliche Erika Rabau in der Widmung eines ihr verehrten Buchs mit dem Puck aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ verglich. Das Alter hat ihren Rücken gebeugt, aber nicht ihr flirrendes Wesen.

Das war 2008 schon schön in Samson Vincents Dokumentarfilm „Der Puck von Berlin“ zu sehen, der die erst wenige Jahre zuvor mit einer Goldenen Berlinale-Kamera ausgezeichnete Fotografin beim rastlosen Herumwieseln auf dem Filmfestival zeigt – in ihrer trotzigen Ledermontur. Das zweite filmische Denkmal setzt ihr nun ihr alter Freund und Kupferstecher, der Filmemacher und Trash-Rabauke Lothar Lambert mit der Kino-Doku „Erika, mein Superstar oder Filmen bis zum Umfallen“. Es ist ein Lambert-typisches, eher wenig Erkenntnis förderndes, schrägfröhliches, liebreiches Werk, in dem sich der Interviewer-Regisseur genauso unverblümt in Szene setzt wie seinen Star. Auch in Gestalt vieler Filmausschnitte, die seine treueste Kleindarstellerin seit dem Lambert-Film „Tiergarten“ von 1979 in Aktion zeigen.

In ihre Wohnung darf keiner, die ist zu chaotisch

Dieses wilde Potpourri bestätigt, was Erika Rabau beim Kroaten gerade dem eintreffenden Fotografen erklärt. „Rabau wie Radau, bloß mit ,b‘.“ Nur, dass die Betonung auf der ersten Silbe liegt. Und sie im wahren Leben eine ebenso herzliche Liebe wie in den Filmen eine komische Irre ist. In „Gott schuf das Make-up“ von 1998 gar mit rabenschwarz geschminktem Gesicht als verrückte Alte, die sich für den Fußballstar Pelé hält.

Den habe sie gut gekannt, erzählt Erika und droht an, fünf Euro für jedes Siezen zu kassieren, das versehentlich noch mal passiert. Pelé, ja schön, aber gar zu gern würde man mal das Buch mit der Hollaender-Widmung sehen. „Ist in meiner Wohnung“, sagt sie, „irgendwo“. Daher der Stammplatz in der freundlichen Gastwirtschaft. Bei ihr zu Hause darf keiner rein. „Ich bin der Chaot von Berlin.“ Auch ihr ganzes Fotografinnenleben steckt in ihrer Wohnung, geschätzte eine Million Negative. Dafür hat sie den 2008 zu einer Ausstellung im Museum für Kommunikation erschienenen Bildband „Stars – Die Gesichter der Berlinale“ mitgebracht. „Komm, den signiere ich dir.“ Die Hand mit dem eigens eingesteckten Signierstift fährt routiniert über das Papier. Leise klappern ihre Ketten.

Der Pelé, der wollte ja mal was von ihr, fährt die Promifotografin fort. Genauso wie Sammy Davis Jr., der sie in Hamburg auf sein Zimmer mit Frühstück einlud. Und? Angenommen? Die greise Kindfrau schüttelt entschieden den Haarflaum. „Ach was, wo kommt man denn da hin!“ Die Erika mag ein Kobold sein, aber sie weiß immer genau, was sie will.

Leder. Auf dem roten Teppich der Berlinale trotzt sie mal in türkiser- mal in schwarzer Kluft den Wettern, wie hier im Februar 2010.
Leder. Auf dem roten Teppich der Berlinale trotzt sie mal in türkiser- mal in schwarzer Kluft den Wettern, wie hier im Februar 2010.

© Jens Kalaene/dpa

Die Stars machen alle, was sie will

Dass die Stars, die sie seit 1963 auf der Berlinale fotografiert und von denen viele sie freundschaftlich begrüßen, sich bereitwillig von ihr und nur ihr dirigieren ließen, ist stadtbekannt. „Alle haben immer gemacht, was ich will.“ Nur nicht unbedingt die Kollegen, denen sie in Pressekonferenzen und am roten Teppich gelegentlich im Bild stand. „Die hätten mich manches Mal am liebsten in einem Wasserglas ertränkt.“

Sie blättert durch das Buch, zeigt Fotos von Romy Schneider, Pierre Richard, Dustin Hoffman, erzählt vom verehrten Berlinale-Gründer Alfred Bauer, der sie 1972 zur offiziellen Fotografin machte. „Ich kann dir wie Scheherazade die ganze Nacht Geschichten erzählen.“ Ein Puck geht ungern zu Bett. Seit der Berlinale im Februar habe sie ihres sowieso kaum gesehen, so viel sei immer zu tun, behauptet sie. Aber wenn sie dann drinliegt, liegt sie drin. „Ich kann jederzeit durchmachen, aber einfach nicht aufstehen."

Schwere Momente durchstehen, das kann sie schon. Beispielsweise, als ihr vor allen Leuten die Tränen kamen, während Dustin Hoffman ihr nach dem Tod ihres dritten Mannes Heiner im Zoo-Palast kondolierte. Oder die schmerzhafte Geduldsprobe, als sie, frisch hüftoperiert, unbedingt Karl Lagerfeld am roten Teppich fotografieren wollte. Die Krücken waren im Weg. Mit dem knappen Kommando „Halt die mal“ drückte sie sie dem Nächstbesten in die Hand, ohne genauer hinzusehen. „Aber natürlich, Erika“, antwortete der brav und entpuppte sich als Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit.

Den Hüftschaden hat sie sich beim Surfen auf Mallorca zugezogen

Den Hüftschaden hat sich die begeisterte Seglerin vor Jahren bei einem Surfunfall auf Mallorca zugezogen. „Seitdem versuche ich jeden Tag, aus einem halben Menschen einen ganzen zu machen“, sagt sie und tupft sich die im Andenken an den seligen Heiner feucht gewordenen Augen. Industriefotograf ist der gewesen. „Ein sehr guter, kommerziell leider ebenso unbegabt wie ich.“

Das ist jetzt die Chance, trotz Rabaus Auskunftsunwilligkeit in Sachen Biografie und Alter, die auch in „Erika, mein Superstar“ Anlass zu Spekulationen bietet, ebendarauf zu sprechen zu kommen. Ihr hinreißender Filmsatz „Ich bin ja erst kindeinhalb“ ist gewiss zutreffend, aber eben doch etwas ungenau.

Sie sei Viertel vor Weihnachten in Danzig geboren, teilt Erika bereitwillig mit, am 23. Dezember, kurz vor Mitternacht. Beim Jahr allerdings ist nichts zu machen, das verrät sie nicht. Nur dass sie das schwarze Schaf einer bürgerlichen Familie ist und der Bruder Honorarkonsul von Uruguay. Keine Details zum Aufwachsen in Berlin und den zehn Jahren in Argentinien, wohin sie ihrem mit 17 geehelichten ersten Mann folgt. „Ein Adonis, aber eifersüchtig! Hat mich extrem kontrolliert.“ Wo doch jeder weiß, nur Götter können Elfen an die Leine legen. Zügig beendet sie die Ehe, sucht Arbeit und wird in Buenos Aires Assistentin eines Theaterfotografen.

Sie ist die Meisterin des Augenblicks

Licht setzen, Cadrage, Bildinszenierung, hat sie alles gelernt. Und ist doch die Frau der Schnappschüsse geworden, die Chronistin des unmittelbaren Moments, die Meisterin des Augenblicks. Sie mache keine Star-, sondern Actionfotos, sagt sie. „Jedes Gesicht ist eine Landschaft.“ Anfang der Sechziger treibt sie das Heimweh zurück nach Berlin, wo sie erst als Fotografin auf Familienfeiern jobbt und dann dank des Zufalls und der Mehrsprachigkeit zu den Filmfestspielen kommt. Zu Fotoaufträgen für Theatertreffen, ITB, Grüne Woche, Musikfest, schließlich gar zu kleinen Filmrollen bei Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders, Wolf Gremm, Ulrike Ottinger und eben Lothar Lambert.

Sie sei ja gerne hinter der Kamera, sagt Erika, aber genauso gerne davor. Das schätze sie an Lothar Lambert. „Der lässt mich spielen.“ Egal was für Rollen. Nur den Filmtitel „Erika, mein Superstar“, den findet sie doof. „Ich bin doch kein Star, ich bin ein Mensch.“ Ob sie Lambert deswegen ausgeschimpft hat? Die Haarflusen fliegen verneinend umher. „Ich werde doch meinen Löthi nicht ausschimpfen.“ Hauptsache, spielen. Schon als Kind wollte sie immer jemand anderes sein.

Zum Abschied macht sie ein eingangs gegebenes Versprechen wahr. Nestelt unter den Kettenanhängern eine Miniaturmundharmonika hervor und bläst darauf „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“. Über gespitzten Lippen funkeln graugrüne Augen, magisch, unverwandt. Die Erika, das Elfenwesen.

Premiere: Bundesplatz-Kino. Sonntag 2.8., 15.30 Uhr in Anwesenheit von Erika Rabau. Danach zeigt das Kino bis 30.8. jedem Sonntagnachmittag die Reihe „Berlin, blond und bunt“ – Lambert-Komödien mit Erika Rabau. Vom 6.– 9. 8. läuft „Erika – mein Superstar“ im Kino in der Brotfabrik.

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