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Mehr Glam war nie. David Bowie als Ziggy Stardust, begleitet von Mick Ronson. Mit einem zweideutigen Auftritt in der BBC-Show „Top of the Pops“ lösten sie 1972 einen Skandal aus.

© Universal Music/Getty Images

Doku über Gitarrist Mick Ronson: Der Mann an Bowies Seite

Vom Schulgärtner zum Rockstar: Ein Film feiert den begnadeten Musiker Mick Ronson, der gemeinsam mit David Bowie einen märchenhaften Aufstieg erlebte - und dann abserviert wurde.

Als David Bowie 1971 Andy Warhols Factory in New York besuchte, legte Warhol nach einer kurzen Begrüßung eine Kassette von Bowies Album „The Man Who Sold The World“ in den Recorder, verließ den Raum und kam erst wieder zurück, nachdem die Musik vorbei war. Der Maler war fasziniert von der Aura des Sängers, von seinem Spiel mit Geschlechterstereotypen, den Frauenkleidern und überkandidelten Hüten und Ringen, mit denen er sich zeigte. Mit Art- und Glamrock konnte Warhol hingegen nichts anfangen. „Es war sehr seltsam“, hat Mick Ronson erzählt, der bei der Begegnung dabei war. „Warhol aß Cracker und trank Wein. Aber Davids Musik hat er gehasst.“

Ronson, den Freunde „Ronno“ nannten, ist das Paradebeispiel eines Sideman, eines Musikers, dazu verdammt, auf ewig im Schatten des Stars zu stehen, den er begleitet. Das zeigt schon der Titel des Films und eines Albums, mit dem er 25 Jahre nach seinem Tod geehrt wird: „Beside Bowie“. Dabei war Ronson nicht nur ein begnadeter Gitarrist, dessen heavy rollender Sound oft kopiert wurde. Mit seinen Arrangements und Kompositionsbeiträgen hat er zeitweilig Bowies Musik so stark geprägt wie Bowie selbst. „Als Rockduo waren wir genau so gut wie Mick Jagger und Keith Richards oder Axl und Slash von Guns ’n Roses. Ziggy und Mick waren die Personifizierung des Konzepts eines sich perfekt ergänzenden Duos im Rock ’n’ Roll“, sagt Bowie im Film des britischen Regisseurs Jon Brewer, der in Deutschland als DVD herauskommt.

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Ziggy, das ist die von Bowie verkörperte Kunstfigur des Rock-’n’-Roll-Messias Ziggy Stardust. Seine Band, die Spiders From Mars, wird von Ronson angeführt. Der Aufstieg des Gitarristen trägt märchenhafte Züge. Als ihn über einen befreundeten Drummer die Anfrage erreicht, bei Bowie einzusteigen, steht er gerade in seiner nordenglischen Heimatstadt Hull auf einem Rugby-Feld, damit beschäftigt, weiße Linien zu markieren. Da hat er eigentlich schon abgeschlossen mit dem Rockbusiness und arbeitet als Gärtner für die Schulbehörde. Ein paar Tage später tritt er mit Bowie in einer Show des BBC-DJs John Peel in London auf.

Ronson darf gleich einziehen in Haddon Hall, Bowies edwardianische Villa im Stadtteil Beckenham, ein Hippie-Schloss und so etwas wie eine Swinging-London-Version von Warhols Factory. „Mein ganzes Haus hätte in den Flur gepasst“, erzählt der Keyboarder Rick Wakeman, Gründer der Progrockband Yes und damals Teil von Bowies Truppe. Es gibt 18 Katzen sowie ein Musikstudio, die Miete beträgt bloß sieben Pfund im Monat, wie Bowies Exfrau Angie erzählt, und oft hängen die Bewohner nur kiffend herum. „Mann, war ich stoned“, erinnert sich Ronson an ein Konzert im Roundhouse, einem alten Londoner Lokschuppen.

Schaut man sich heute alte Auftritte von Ziggy und den Spiders an, springt eins sofort ins Auge: Haare. Bowies haubenartig hochgefönter Rotschopf kontrastiert heftig mit seinem fahlen Gesicht. Ronsons blondes Engelhaar fällt wellenförmig auf die Schultern seines goldenen Jumpsuits. Als sie 1972 in der BBC-Fernsehshow „Top of the Pops“ die Science-Fiction- Hymne „Starman“ spielen, lösen sie einen nationalen Skandal aus. Nicht weil die Spiders From Mars tatsächlich aussahen wie Aliens, sondern weil Bowie während eines Gitarrensolos vor Ronson in die Knie ging und Oralsex andeutete. Die Szene wird für spätere Ausstrahlungen wegretuschiert.

Weil keine Zeitschrift ein Bild vom Vorfall drucken will, präsentiert die Plattenfirma es per ganzseitiger Anzeige im „Melody Maker“. Das Ziggy-Album steigt auf Platz 5 der britischen Charts. In einem Umfeld, in dem Homo- und Bisexualität geächtet sind, wird Bowie mit seiner fluiden Identität zur Dauerprovokation. Ronson, an dessen Heterosexualität kein Zweifel besteht, wird einmal im Bus als „schwuler Trommler“ beschimpft. Wobei ihn wohl vor allem die Behauptung, ein Trommler zu sein, hart trifft. Noch schärfer sind die Reaktionen in Amerika. Während eines Radiointerviews in Texas, bei dem Bowie ein Kleid trägt, taucht plötzlich ein Mann mit Schusswaffe auf.

„Beside Bowie“ ist auch eine Studie über Mechaniken und Manipulationen der Showbranche. Eine Tour, mit der Bowie die USA erobern soll, scheint im Chaos zu enden. Für drei Monate sind nur zehn Konzerte geplant, meist bleiben die Hallen halb voll. Doch der Auftritt in der New Yorker Radio City Hall wird zum Triumph, der „Rolling Stone“ bringt eine Titelgeschichte. Allerdings werden bei Ausgaben in Höhe von 400 000 Dollar lediglich Einnahmen von 100 000 Dollar eingelöst. Bowie steigt stets in besten Hotels ab, ganz nach der Devise des Produzenten Tony Visconti: „Wer ein Star sein möchte, muss sich auch wie ein Star verhalten.“

Ronson wird mit ein paar Dollar abgespeist

Am Ende der Konzertreise trennt sich Bowie von Ronson und der Band. Sein Manager Tony DeFries hatte ihm eröffnet, dass er nur allein so groß wie Elvis werden könnte. Der Gitarrist hatte 18 Monate lang mit dem Sänger gearbeitet und dabei die wegweisenden Platten „Hunky Dory“ und „Ziggy Stardust“ aufgenommen. Sein Klavier- und Streicherarrangement für „Life on Mars“ hätte, sagt Def-Leppard-Sänger Joe Elliott, auch auf ein Sinatra-Album gepasst.

Mick Ronson wird für die Tour mit ein paar Hundert Dollar abgespeist, er veröffentlicht Soloplatten, die wie Bowie-Platten ohne Bowie klingen und floppen. Zum Frontmann taugt er nicht, stattdessen spielt er mit Bob Dylan und Ian Hunter, produziert Elton John, Morrissey und Lou Reeds Erfolgsalbum „Transformer“. Beim Tributkonzert für den verstorbenen Freddie Mercury im Wembley-Stadion tritt er mit Bowie und Queen auf, sie spielen die Jahrhunderthymne „All the Young Dudes“. Ein Jahr später im April 1993, stirbt Ronson an Leberkrebs.

Der Film „Beside Bowie. The Mick Ronson Story“ und das gleichnamige Album sind bei Universal erschienen.

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