zum Hauptinhalt
Spannungsspezialist. Dominik Graf dreht fürs Kino und Fernsehen.

© dpa / Peter Kneffel

Dominik Graf wird 70: Verbotene Liebe

Vom Fahnder zu Fabian, und es braucht keine fünf Minuten: Dem vielseitigen Regisseur Dominik Graf zum 70. Geburtstag.

Als neulich Wolfgang Petersen starb, gab es hierzulande wieder diese Frage: Wen hatten und haben wir an großen, stilprägenden deutschen Regisseuren? Fatih Akin, Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog, Wim Wenders, aber man muss nicht weiter lange suchen und landet bei jemandem, der dazuzählt, auch wenn er nicht über die Grenzen hinausstrahlt – Dominik Graf. Dem Mann, der in über 40 Jahren kaum ein Genre ausgelassen und dabei mit seiner eigenwilligen Handschrift sowohl das Massenpublikum als auch die Nische erreicht hat.

Ob Literaturverfilmungen wie zuletzt 2021 „Fabian oder der Gang vor Hunde“, frei nach Erich Kästner, Historien- oder Gesellschaftsdramen wie das unterschätze „Komm’ mir nicht nach“ aus der Trilogie „Dreileben“ oder, weithin bekannt, zahlreiche „Tatorte“, „Polizeirufe“ und andere Kriminalfilme für das Erste und das ZDF – es ist immer wieder zu staunen über die Kraft, die Dichte, die Vielfalt des Graf’schen Werkes.

Dabei hat sich der Regisseur natürlich nicht ständig neu erfunden. Das fast überlaute Rauschen der Bäume vor der Vorort-Villa in „Dreileben“, die Hektik und Handkamera auf dem Polizeirevier im „Tatort“, es braucht keine fünf Minuten, um einen Graf-Film zu erkennen. Was manche für manieriert halten mögen, ist für andere ein filmischer Zugang zur Welt, der dem Massenmedium immer neue Möglichkeiten abtrotzt.

Das Fernsehen übte schon früh eine Anziehungskraft auf Dominik Graf aus. Seine Eltern, der Schauspieler Robert Graf und die Schauspielerin Selma Urfer, hatten sich in den 1950ern einen Fernseher angeschafft, sagten aber, Fernsehen sei schädlich für die Entwicklung des Kindes. Tagsüber, so die Legende, verschwand das Gerät in einer Truhe, der Sechsjährige durfte nur in Anwesenheit seiner Eltern fernsehen. Verbotenes zieht an.

Der Krimi ließ Graf nicht mehr los

Nach dem Studium an der Münchener Hochschule für Fernsehen und Film in den 1970er Jahren entwickelte Graf mit der ARD-Serie „Der Fahnder“ eine Vorliebe für Ganoven und kleine Verbrecher, was Graf auch Kritik eingebracht hat.

Es geht sehr körperlich bei ihm zu, gerne an dreckigen, verfallenen Orten. Moral ist nicht unbedingt das Kriterium, an dem sich seine Filme ausrichten. Nicht alles gelang. „Die Katze“ mit Götz George war 1988 sein erster Kinoerfolg. „Die Sieger“, ein nächster Versuch im Genre, floppte sechs Jahre später.

Der Krimi ließ Graf aber nicht mehr los. Diese Vorliebe hatte er früh entdeckt, durch Lektüre von Raymond Chandler oder Ross Macdonald. Mit einer Serie im Ersten schrieb Graf 2010 Fernsehgeschichte.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Was „Heimat“ für Edgar Reitz, ist „Im Angesicht des Verbrechens“ für den gebürtigen Münchner, der hier dem kriminellen Berlin ein Gesicht gibt. Ein Opus magnum. Zehn Teile über russische Mafia-Clans und Polizisten, die das organisierte Verbrechen bekämpfen. Selten hat Berlin auf dem Bildschirm so pulsiert.

Wer Grafs mehrfach ausgezeichnetes Werk würdigt, darf seine Reflexionen über Film und Fernsehen nicht vergessen, seine Doku über den Filmkritiker Michael Althen oder im Juli sein Nachruf auf den eigenwilligen Mitstreiter Klaus Lemke. Am Dienstag wird Dominik Graf 70. Mögen uns seine Unermüdlichkeit und Besessenheit noch viele Genrefilme bescheren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false