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Edward Abbeys "Monkey Wrench Gang": Gott sprenge Amerika

Edward Abbeys Romanklassiker „Monkey Wrench Gang“ ist erstmals vollständig übersetzt. Eine explosive Mischung aus anarchistischem Gedankengut, krankem Humor und einem klaren Bekenntnis zur Gewalt gegen Sachen.

Es wäre wahrscheinlich besser, sie wären sich nie begegnet: Seldom Seen Smith, Wildwasser-Experte, Teilzeit-Mormone und bekennender Bigamist, George Washington Hayduke III., Vietnamveteran und Waffennarr, der Zivilisationskritiker Doc Sarvis, der immer einen Kanister Benzin im Auto hat, um Reklametafeln am Rand des Highways anzuzünden, und seine attraktive Sprechstundenhilfe Bonnie Abbzug, die als Teenager zu viel Hermann Hesse und Carlos Castaneda gelesen hat. Diese vier Freaks haben sich während einer Bootstour auf dem Colorado River kennengelernt und abends schimpfen sie am Lagerfeuer auf die Glen-Canyon-Staumauer, eine 792 000 Tonnen schwere Betonkonstruktion, die den wilden Fluss in ein trauriges Rinnsaal verwandelt hat. Sie sind sich schnell einig: „Wir sollten den Damm in Scheißklumpen sprengen“. Nachdem eine Flasche Whiskey die Runde gemacht hat, beschließen sie, „Unrecht zu tun und Regierungseigentum zu beschädigen“.

„Die Monkey Wrench Gang“ ist ein Roman des amerikanischen Schriftstellers Edward Abbey aus dem Jahr 1975. Eine erste, gekürzte Übersetzung erschien vor zwanzig Jahren ohne großen Erfolg bei Rowohlt. Jetzt hat der junge Schweizer Verlag Walde & Graf eine Prachtausgabe mit bösartigen Illustrationen von Robert Crumb aufgelegt. Crumb porträtiert die selbst ernannten Umweltschützer als Bande hormongesteuerter Freizeit-Terroristen, die Männer schlecht rasiert und ungewaschen, Bonnie Abbzug eine Sexbombe mit tickendem Zeitzünder. „Ich brauche Plastiksprengstoff, verdammt noch mal, um die zweihundert Pfund Plastiksprengstoff“, lautet das Credo von Georg Washington Hayduke. Heute wäre dieser Roman vermutlich ein Fall für das US-Heimatschutzministerium.

„Die Monkey Wrench Gang“ ist ein Bombenspaß: eine explosive Mischung aus anarchistischem Gedankengut, krankem Humor und einem klaren Bekenntnis zur Gewalt gegen Sachen. Kurz: ein echter amerikanischer Klassiker.

Sie lassen es krachen. Bevor Hayduke und die Seinen die Staumauer in Angriff nehmen, wärmen die Saboteure sich mit kleineren Aktionen auf – und hinterlassen eine Spur der Verwüstung im Grenzland zwischen Utah und Arizona. Sie sägen Strommasten um, demolieren die Ölbohrtürme von Texaco und Esso, sprengen eine Eisenbahnbrücke. Ihre Lieblingswaffe ist der monkey wrench, ein einfacher, verstellbarer Schraubenschlüssel, mit dem sie das Öl aus den Radladern, Baggern und Verdichtungswalzen ablassen: monkey wrenching heißt soviel wie „Sand ins Getriebe streuen". Seit Erscheinen dieses Buches wird die Formulierung im Englischen gern für jede Art von Sabotage im Dienst des Umweltschutzes benutzt. Aber nicht nur das hat Abbey mit seinem Roman bewirkt. „Die Monkey Wrench Gang“ zündete in den siebziger Jahren in den USA wie ein Sprengsatz – und führte unter anderem zur Gründung von „Earth First!“, einer Gruppe von zum Teil militanten Umweltaktivisten, die einen verstellbaren Schraubenzieher zu ihrem Erkennungszeichen gemacht hat.

Keine schlechte Wirkungsgeschichte: Der 1989 verstorbene Edward Abbey, der sich selbst als „halbherzigen Fanatiker“ und „Halbtagsaktivisten“ sah, hat nicht einfach nur einen durchgeknallten Roman geschrieben, sondern eine Art ökopatriotisches Manifest für sein Heimatland. „Gott schütze Amerika. Lasst uns versuchen, etwas davon zu retten“, steht etwa auf dem Aufkleber an Doc Sarvis’ Wagen. Und Hayduke zitiert Thomas Jefferson: „ewige Feindschaft jeglicher gottverfluchten Form von Tyrannei".

Die vergnügten Bombenbastler haben also nicht nur Michail Bakunin und das „Anarchist Cookbook“ gelesen, sondern auch die amerikanischen Verfassungsväter – und Henry David Thoreaus berühmten Essay „On Civil Obedience“, in dem er den zivilen Ungehorsam 1849 zur ersten Bürgerpflicht erklärt: „Wenn aber das Gesetz so beschaffen ist, dass es notwendigerweise aus dir den Arm des Unrechts an einem anderen macht, dann, sage ich, brich das Gesetz. Mach’ dein Leben zu einem Gegengewicht, um die Maschine aufzuhalten.“ Auch das ist eine mögliche Lesart dieses Romans: Mit Blick auf den 11. September 2001 erinnert er uns daran, dass der Terrorismus zu den uramerikanischen Tugenden gehört.

Das Schöne ist, dass Edward Abbey inmitten der Rauchwolken und Dynamitschwaden nie vergisst, worum es eigentlich geht. Alle paar Seiten gibt es in „Die Monkey Wrench Gang“ einige Zeilen Naturprosa: schlichte Sätze über die Steppenhexe und Goldaster, die in Arizona im Wüstensand wachsen, über den Graureiher, der den Colorado River flussaufwärts segelt, über die Fledermäuse, die in den Schatten der Canyons flattern, oder über das Dickhornschaf auf einer Klippe. „Und kühle Flötentöne drangen aus dem Nichts hervor: die Stimme der Drossel.“ Dafür lohnt es sich doch, ein bisschen Regierungseigentum zu beschädigen.

Edward Abbey: Die Monkey Wrench Gang. Roman. Illustriert von Robert Crumb. Übersetzt von Sabine Hedinger. Verlag Walde & Graf, Zürich 2010. 469 Seiten, 24,95 €

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