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Kultur: Ein fernes Land

Fremde Augen sehen mehr. Künstler tun also gut daran, sich diesen Blickwinkel zuzulegen, wenn sie sich mit dem beschäftigen, was direkt vor der Haustüre liegt.

Fremde Augen sehen mehr. Künstler tun also gut daran, sich diesen Blickwinkel zuzulegen, wenn sie sich mit dem beschäftigen, was direkt vor der Haustüre liegt. Dem eigenen Land zum Beispiel. Eine besondere Volte schlägt in diesem Zusammenhang der Hamburger Konzeptkünstler Peter Piller . Sein Material sind Fotos aus Regionalzeitungen sowie Luft- und Amateuraufnahmen – banale Bilder, die er zu Serien reiht. In der Galerie Barbara Wien (Linienstraße 158, bis 31. März) ist nun ein fotografisches Porträt der niederländischen Stadt Nijverdal zu sehen. Piller entdeckte Aufnahmen im Archiv einer Textilfirma und kombiniert die anonymen Fundstücke mit eigenen Fotografien, bei denen er die Ästhetik des Lapidaren beibehält. Nijverdal wirkt hier nicht ferner oder vertrauter als Bonn auf den Fotografien, die bei seiner Umwanderung der ehemaligen Hauptstadt entstanden sind: Höfe, Tore, Autos. In der Provinz, das scheinen sie zu sagen, ist jeder ein Fremder (Preise auf Anfrage) .

Auch die Galerie Antje Wachs schickt ihre Künstler auf die Suche nach dem eigenen Land (Gipsstraße 5, bis 17. Februar). Die Galeristin hat tief in der Mottenkiste gekramt und als Inspiration den französischen Jugendroman „Das Land, in dem man nie ankommt“ von André Dotel herausgeholt. „Wenn Du entdecken willst, was du suchst, musst du dich bemühen, die Zeichen zu lesen, die den Dingen anhaften“, wird da einem jungen Ausreißer, der eine neue Heimat sucht, gesagt. Drei der beteiligten sieben Künstler verschlägt es beim Lesen der Zeichen in die Natur oder zurück nach Hause. Wie Michael Botor , dessen Lacksiebdrucke von der Natur überwucherte Industrieanlagen in seiner Heimat Schlesien zeigen (ab 1000 Euro). Auf Clarina Bezzolas Aquarellen vermählen sich Menschen auf absurde Weise mit der Natur (um 1200 Euro). Am meisten Heimat entdeckt man paradoxerweise im Video „Spinsters“ der litauischen Künstlerin Kristina Inciuraite , das in einem Waisenhaus entstand (2000 Euro). Wenn Heimat fehlt, ist sie am deutlichsten spürbar.

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