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Hoppla. Boris Aljinovic (links) und Klaus Christian Schreiber in "Die Hose".

© imago/DRAMA-Berlin.de

Renaissance Theater: "Die Hose" von Carl Sternheim: Eine Satire, zum Schwank verwurstet

Tina Engel inszeniert am Renaissance Theater Carl Sternheims selten gespieltes Stück "Die Hose" - leider bloß lustig statt böse.

Ups, was ist das denn? Kaum hat der rote Samtvorhang sich geöffnet, gibt’s auch schon Popo-Haue. Bisschen „Shades of Grey“ im Renaissance-Theater? Natürlich werden Angst und Schmerz nur pantomimisch angedeutet, man will ja nicht gleich das Publikum verschrecken. Die von ihrem Ehemann malträtierte Frau quiekt lautlos – das offene Mündchen zu putzigem Schrei geformt – und zeigt sich ansonsten eher unbeeindruckt von der männlichen Machtdemonstration.

Dabei beginnt „Die Hose“ von Carl Sternheim (1878–1942) eigentlich mit einem echten Gewaltausausbruch. Weil Luise Maske gerade auf offener Straße aus Versehen die Unterhose heruntergerutscht ist, kennt der aufstrebende Beamte Theobald Maske zu Hause kein Halten mehr. Original-Regieanweisung: „Er packt sie beim Kopf und schlägt ihn auf den Tisch.“ Vorher hat er sie schon verprügelt und geohrfeigt. Dass sich die Inszenierung von Tina Engel mit solcher Brutalität (und überhaupt dem Thema häusliche Gewalt) gar nicht auseinandersetzen will, sondern den Weg des Schwanks einschlägt, wird schnell klar. Auf diesem Pfad der Harmlosigkeit wandelt der Abend dann zwei Stunden lang.

Tür auf, Tür zu

Die Handlung des 1911 von Max Reinhardt am Deutschen Theater uraufgeführten Stücks, damals mitsamt Skandal und kurzzeitigem Verbot? Maske, ein deutschtümelnder Unsympath, geizig, gewalttätig, rechthaberisch, braucht dringend Untermieter, um seinen bürgerlichen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Der Zwischenfall mit der Hose, von dem er fürchtet, dass er ihm gesellschaftlich schaden wird, führt zum Gegenteil. Auf einmal stürmen junge Männer ins Haus, die sich in die verträumte Luise verliebt haben. Der eine, Scarron, ist ein affektierter Autor, der nach Inspiration sucht; der andere, Mandelstam, ein kränklicher, einsamer Friseur. Die beiden ziehen ein, streiten mit dem Hausherrn, bedrängen die Ehefrau: Tür auf, Tür zu, komm her, geh weg, huch, da kommt schon wieder einer. Mehr passiert eigentlich nicht.

Die Regisseurin hat ihre fünf Schauspieler in ein kahles schwarzes Zimmer verfrachtet, das sich peu à peu vergrößert. Aber es bleibt ein Gefängnis. Auch die Charaktere bleiben auf wenige Haltungen und Tonfälle reduziert. Außer Hauptdarsteller Klaus Christian Schreiber, der seinen Theobald Maske mit ungeheurer Energie zwischen militärischer Zackigkeit und eitler Selbstgewissheit anlegt, findet niemand eine innere Mitte. Alle sind irgendwie dauererregt, es wird gebrüllt, gebebt, gestöhnt und tremoliert.

Anknüpfungspunkte zur Gegenwart? Fehlanzeige

Was diese fünf Menschen voneinander wollen, bleibt unklar. Warum verfällt Luise (Christin Nichols) binnen Sekunden dem Schriftsteller mit der affigen Haartolle (Guntbert Warns)? Wäre sie eine geschundene Kreatur, wie bei Sternheim, könnte diese vermeintliche Liebe als letzter Rettungsanker durchgehen. So aber bleibt alles oberflächliche, komödiantische Behauptung. Auch dass die Nachbarin (Anika Mauer), die ebenfalls in den Begehr-Reigen verstrickt wird, vor Wollust kaum noch aufrecht gehen kann. Und der von Luise schroff abgewiesene kranke Mandelstam, im Stück als Gegensatz zu den anderen Herren und ihrer überschäumenden Virilität konzipiert, wird von Boris Aljinovic zu agil, zu windig, zu wenig leidend an Leib und Seele gespielt. Da hilft auch kein Wollmützchen auf dem Kopf.

Schade um das selten gespielte Stück – auch lässt die Inszenierung Anknüpfungspunkte zur Gegenwart unbeachtet. Lieber huscht sie über Sternheims schneidende Gesellschaftskritik hinweg und macht sich die Hände an der Wirklichkeit nicht schmutzig. Wenn die Männer sich in frauenverachtenden und sozialdarwinistischen Erörterungen ergehen, steht Luise nur sachte beleidigt daneben. Hier tun sich keine ideologischen Abgründe auf, hier werfen keine Weltkriege ihre Schatten voraus. Da sind bloß gierige, wankelmütige Gestalten, die laut und sinnlos umeinander kreisen.

Wieder am 10. bis 12. sowie am 31. Mai.

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