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Kultur: Endlich angekommen

Foto-Expertin Johanna Breede eröffnet Galerie

Eine vom Wind zerzauste Promenadenmischung springt dem Ball hinterher. Der Körper des Hundes ist so elegant gestreckt, dass man an eine Ballettfigur denkt oder an einen Fußballer im Flug. „Kopfball und Toooooor!“ hat denn auch Hannes Kilian diese urkomische Szene genannt, in der das possierliche Tier samt Ball im nächsten Augenblick aus dem Bild zu fliegen scheint.

Kilian hat die Bewegung in der Fotografie wie kaum ein anderer dargestellt. Als Bildchronist des Stuttgarter Balletts erlangte der 1909 geborene Fotograf Weltruf, und mit seinen Reportagen war er nach 1945 in allen großen nationalen wie internationalen Magazinen präsent. Kilians künstlerische Qualität hingegen wird gerade erst entdeckt. Diesen Schatz mitgehoben hat Johanna Breede. Rund drei Jahre sichtete die ehemalige Fotoexpertin des Auktionshauses Villa Grisebach gemeinsam mit Gundel Kilian den Nachlass und unterstützte die Witwe bei der Suche nach einem angemessenen Ausstellungsort. Anlässlich des 100. Geburtstags ist nun die erste Kilian-Retrospektive überhaupt im Martin-Gropius-Bau zu sehen (s. Tagesspiegel vom 15.4.).

Für Johanna Breede gab Kilians Werk den letzten Anstoß, eine eigene Galerie für Fotografie zu eröffnen. Ergänzend zur Retrospektive fokussiert ihre Auswahl auf strukturelle Elemente. Der überwiegende Teil der 48 Schwarzweiß-Fotografien sind bislang unveröffentlichte Vintages (2500-4500 €), die ein profund künstlerisches Bilddenken deutlich machen. Nach einer klassischen Fotografenlehre und nach den Kriegswirren entwickelte Kilian seinen eigenen, subjektiven Blick. Etwa zeitgleich, aber ohne konkrete Berührungspunkte zur Gruppe „fotoform“. Zeitdokumente, berührend alltägliche, architektonische oder theatrale Momente – all das verbindet sich bei Kilian mit einem abstrahierenden Formgespür. 1952 aufgenommene Perlon-Spulen werden ebenso zum seriellen Material wie das Fassadendetail eines Bürohauses.

In strengem Linienspiel erscheint der Maler Georg Karl Pfahler. Dessen Konzept der „Einheit von Farbe und Raum“ transformiert Kilian in seiner Silhouette, die vollständig in dem Farbraumprojekt aufgeht. Oder Lisa Stammer 1949 beim Kegeln: Die Schauspielerin taucht aus dem Dunkel eines kärglichen Raumes auf. Im Vordergrund fast formatfüllend der Stoff ihres hellen Kleides, der wie eine Plattform für den zum Lachen geöffneten Mund in die Zukunft schwingt. Ein perfektes Sinnbild der Nachkriegsrepublik – und der Erwartung des kommenden Wirtschaftswunders. Wenn Johanna Breede in diesen so gar nicht wirtschaftswunderlichen Zeiten eine neue Galerie gründet, dann lässt sich die Kunsthistorikerin von keiner Krisenstimmung abschrecken. Mit derselben Leidenschaft, die sie dem Metier seit ihrem Studium entgegenbringt, und nach zwei Jahren beruflicher Abstinenz von der Fotografie fühlt es sich für Breede an, als sei sie „nach Hause“ gekommen. Ihr Enthusiasmus scheint die Fotogemeinde anzustecken: „Wir hatten gutes Wetter und eine phantastische Eröffnung mit Sammlern, die nicht nach großen Namen suchen, sondern Kilians Fotografien kaufen, weil Motiv und Qualität überzeugen.“ Breedes Erfahrung und ihr Gespür für das Besondere lassen auf weitere Entdeckungen der Galeristin hoffen.

Johanna Breede, Fasanenstr. 69; bis 23. Mai; Di-Fr 11-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr.

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