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PAUKEN & Trompeten: Endlich hundert

Jörg Königsdorf über den Methusalem der Komponisten

Die meisten lebenspraktischen Verrichtungen würden ihm zwar mittlerweile Mühe machen – aber das Komponieren gehe noch immer wie von selbst, hat der 82-jährige Hans-Werner Henze einmal das erstaunliche Phänomen künstlerischer Altersproduktivität beschrieben. Der Reaktionsprozess von Ideen und Handwerk würde quasi automatisch vonstatten gehen, er bräuchte eigentlich nur am Schreibtisch zu sitzen und dann die Entstehung der Musik zu protokollieren. Henzes Beschreibung dürfte sich auf die meisten seiner Kollegen übertragen lassen, die jenseits der 80er-Schwelle noch aktiv sind oder waren: Wer in diesem Alter noch komponiert, ringt nicht verzweifelt um jeden Ton, sondern arbeitet diszipliniert auf der sicheren Grundlage eines persönlichen Stils.

Das Erstaunliche an dieser nüchternen Arbeitsweise ist, dass sie nicht zu Erstarrung führt, sondern die Weiterentwicklung dieser Ausdrucksmittel ebenso zulässt wie echte Meisterwerke: Man denke etwa an Georg Philipp Telemann, der mit Mitte achtzig mit Stücken wie dem „Tag des Gerichts“ noch den frühklassisch-empfindsamen Stil meisterte. Oder an Richard Strauss und seine mit 85 geschriebenen „Vier letzten Lieder“.

Gegen den Amerikaner Elliott Carter sind allerdings sowohl Strauss wie Telemann noch grüne Jungs: Der vor Menschengedenken von Charles Ives und Gustav Holst geförderte Carter schrieb seine erste Oper mit 90 – ihr Titel „What next?“ ließ sich auch so verstehen, dass er noch längst nicht mit seinem Latein am Ende sei. Im Dezember wird der Methusalem unter den Komponisten tatsächlich hundert Jahre alt. Die Staatskapelle und Carter-Fan Daniel Barenboim, der schon „What next“ an der Staatsoper uraufführte, widmen ihm aus diesem Anlass am Sonnabend ein Porträtkonzert. Neben der Symphonia stehen in der Philharmonie das Klavierkonzert Soundings (mit Barenboim als Solist), das Hornkonzert und eine Gesangsszene auf dem Programm. So what next? Er wünsche sich von Carter noch eine abendfüllende Oper, hat Barenboim erklärt. Und eigentlich wäre es doch schön, wenn Johannes Heesters die Titelrolle singen würde.

Jörg Königsdorf

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