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Sehnsuchtsblick. August Kopischs „Ätna, gesehen von den Ruinen des Theaters zu Taormina, bei Sonnenuntergang“ von 1833. Das Ölgemälde befindet sich in Privatbesitz.

© Staatliche Museen Berlin/Horst Ziegenfusz

Entdeckung eines Universalkünstlers: Der Maler der Vulkane

Italien war seine Leidenschaft: Die Alte Nationalgalerie würdigt den Maler und Poeten August Kopisch

„Wie war zu Cölln es doch vordem, / Mit Heinzelmännchen so bequem!“, beginnt die Ballade „Die Heinzelmännchen von Cölln“ – wie man damals, 1836, schrieb –, doch schon der Name des Dichters geriet zunehmend in Vergessenheit: August Kopisch. Und wenn, dann wird er allein mit diesem, jahrzehntelang beliebten Langgedicht in Verbindung gebracht.

Tatsächlich war der Mann ein Universalkünstler, der sich nie entscheiden konnte zwischen seinen beiden Hauptbegabungen, der Poesie und der Malerei. Gelegentlich unternahm er Ausflüge in die praktischen Wissenschaften und betätigte sich als Erfinder. Tatsächlich konnte er einen „Tragbaren Schnellofen mit Spiritusheizung“, ein transportables Gerät zum raschen Erwärmen kleiner Räume zumal auf Reisen, zum Patent anmelden. Aus dem Wiener Technischen Museum hat ein leidlich erhaltenes Exemplar den Weg nach Berlin gefunden.

Geboren in Breslau 1799, lebte Kopisch die letzten zwei Jahrzehnte bis zum Tod durch Schlaganfall 1853 in Berlin; mit Köln verbindet ihn biografisch nichts, die „Heinzelmännchen“ waren ihm einfach ein geeigneter Stoff zu einer Zeit, da Rhein- und Mittelalterromantik in höchster Blüte standen. In Berlin wirkte er als Mitglied des Kunstbeirats Friedrich Wilhelms IV. samt Professorentitel, und dem preußischen König war er bereits zur Kronprinzenzeit bei dessen Italienreise 1828 als Dichter angenehm aufgefallen.

Nun richtet ihm die Alte Nationalgalerie eine Ausstellung aus, sogar die allererste, die Kopisch überhaupt zuteil wird. Im 19. Jahrhundert waren nicht mehr als 23 Gemälde von seiner Hand bekannt, und an der Hand lag’s auch, dass das Werk so schmal blieb, denn wegen einer langwierigen Verletzung konnte er im reifen Alter nicht weiter malen. Mittlerweile sind noch 14 Gemälde zu identifizieren, und bis auf eines sind sie in den fünf Räumen zu sehen, die von Kuratorin Birgit Verwiebe im dritten Geschoss der Alten Nationalgalerie für Kopisch gestaltet worden sind.

Dessen große Liebe galt Italien, darin wandelt er auf den Spuren unzähliger deutscher Künstler, von Schinkel und Blechen bis später zu Hans von Marees, alle im Haus ausgestellt. Kopisch wird hoffentlich auf Dauer in dieser noblen Gesellschaft Platz finden. Ein Gemälde gehört seit je zum Bestand der Nationalgalerie, ein weiteres – darauf ist Direktor Udo Kittelmann besonders stolz – konnte jüngst quasi anonym ersteigert werden.

Kopisch lebte in der zweiten Hälfte der 1820er Jahre in Neapel, damals die bei Weitem größte Stadt Italiens, beliebt wegen ihres pulsierenden Lebens, Stadt der Gaukler und Artisten und eben auch Künstler. Vom Vesuv hat Kopisch ebenso Ansichten gemalt wie weiter südlich vom Ätna auf Sizilien, stets musste Wasser zu sehen sein, auf dem sich Sonne, Mond oder Vulkanfeuer spiegeln. Kopisch liebte Effekte, und dass ausgerechnet er es war, der – gemeinsam mit dem Heidelberger Malerkollegen Ernst Fries – die „Blaue Grotte“ auf Capri fand, diesen Sehnsuchtsort des anhebenden Massentourismus, kaum zu retten vor Verkitschung, das passt so gut zu Kopisch, dass es wie erfunden klingt. Natürlich hat er die Grotte mit ihrem wundersamen, vom Meer hineingeleiteten Leuchten später gemalt, und es ist dies noch eines der am wenigsten effekthascherischen Bilder des Künstlers. Andere haben es ihm nachgetan, eine ganze Wand in der Ausstellung ist mit kleinformatigen Grottenbildern diverser Künstler bedeckt.

Das damalige Publikum beeindruckten die Effekte zweifellos. Sie sind nicht einmal, wie es heute scheinen mag, vollständig übertrieben. Dass die Sonne glühend rot im Meer versinkt und ebenso aus ihm emporsteigt, war in den Jahren von Kopischs Italienaufenthalt weit häufiger zu beobachten als heutzutage. Der Ausbruch des Vulkans Tambora auf einer heute indonesischen Insel im Jahr 1815 und womöglich noch weitere Ausbrüche schleuderten unvorstellbare Aschemengen in die Atmosphäre, die noch Jahrzehnte die Erde umrundeten und seitlich einfallendes Sonnenlicht zum Rot hin streuten. Diesen Effekt hielt Turner viele Male fest, in Nordamerika war es Frederic Edwin Church, der solche heute fantastisch anmutenden Sonnenspektakel malte.

Der König kaufte seine Bilder

Vom Vulkanausbruch konnte Kopisch nichts wissen, er wurde erst im 20. Jahrhundert aus entsprechenden Spuren gefolgert; doch inszenierte der Maler das Gesehene wirkungsvoll, wie im Kontrast von leuchtendem Himmel und düsterem Grund im Gemälde „Die Pontinischen Sümpfe bei Sonnenuntergang“ von 1848. Den Gegensatz von Tag und Nacht brachte er im Bildpaar „Kap Zaffarano auf Sizilien“ und „Feuerspeiender Vesuv bei Mondschein“ zur Ansicht, das er 1844 auf der Berliner Akademieausstellung vorführte, bereits im Besitz des Königs, der als Kronprinz so großes Gefallen an Kopischs Stegreifdichtungen gefunden hatte.

Kopisch war, abgesehen vom Maler, nicht nur Dichter und – vielleicht bedeutender noch – Übersetzer, er war auch ein eifriger Leser und hinterließ bei seinem Tod eine Bibliothek mit 2644 Publikationen. So jedenfalls hält es der Katalog des „Königlichen Auctions-Commissarius“ vom April 1854 fest. In Vitrinen sind Bücher zu sehen, wie sie Kopisch in Händen gehalten haben mag, darunter Dantes „Divina Comedia“, die er nun wahrlich gründlich gelesen und dann übersetzt hat, auch die Erstausgabe von 1842 ist zu sehen. Fünf Jahre zuvor waren „Volksthümliche Poesien aus allen Mundarten Italiens und seiner Inseln“ erschienen, „Gesammelt und übersetzt von August Kopisch“, wie es auf dem Vorsatzblatt der in Berlin verlegten Ausgabe heißt.

Das Buch nannte er „Agrumi“, Zitrusfrüchte. Sofort denkt man an das von Goethe geprägte Bild vom „Land, wo die Zitronen blüh’n“, und Kopisch hat den Titel seines Buches wohl auch ironisch so gemeint. Dieses Land hat er seinen deutschen Lesern nahezubringen versucht, mit besonderem Gewicht auf der napoletanità, dem besonderen, ungezwungenen Lebensgefühl des damaligen Neapel, zu dem Gesang und Volksdichtung, Reim und Klang untrennbar dazugehörten. Dass er heute allein mit dem „Heinzelmännchen“-Gedicht, das ohnehin seines kritischen Untertones längst verlustig gegangen ist, erinnert wird, ist ein Missverständnis, das durch die Ausstellung der Alten Nationalgalerie wenn nicht geheilt, so doch gemildert werden dürfte.

Alte Nationalgalerie, Bodestr. 1-3, bis 17. Juli. Katalog 39 €, im Buchhandel (Sandstein Verlag) 48 €. Begleitprogramm unter www.augustkopischinberlin.de; für Kinder gibt es eine Ausstellungs-App.

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